Hallo,
mein Name ist Theresa, ich bin 22 Jahre und Studentin. Seit zweieinhalb Wochen bin ich in Kolumbien und mache hier ein sechs monatiges Praktikum und anschliessend ein Auslandssemester. Jetzt habe ich festgestellt, dass ich von meinem deutschen Freund schwanger bin. Ich weiss nicht was ich machen soll. Ich koennte das Praktikum fertig machen und dann nach Deutschland fahren und ein Kind kriegen, das ist allerdings total unerwartet, der Vater haelt das fuer eine schlechte Idee und ich will eigentlich nicht ueber seinen Kopf hinwegentscheiden. Oder ich fahre jetzt nach Deutschland und lasse dort abtreiben, in Kolumbien ist es illegal. In dem Fall mache ich mir Sorgen, denn meine Eltern sind im Moment auf Reisen, fast alle meine Freunde sind nicht da. Ich habe Angst, das es mir danach nicht gut geht und ich alleine bin. Aber aus diesem Grund ein Kind zu bekommen, weil eine Abtreibung mit viel Geld, Flug nach Deutschland, Umstellung der Plaene und so weiter verbunden waere, scheint mir auch nicht gut.
Koennt ihr mir helfen und Denkanstoesse geben?
Liebe Gruesse, Theresa
Liebe Theresa,
Du wirkst auf mich so ruhig und gefaßt und auch fest und kraftvoll.
Ich weiß nicht, wie ich Dir helfen kann und schon gar nicht ob.
Ich habe gerade vorgestern einen Vortrag gehört, und an einer Stelle ging es dabei darum, wie dieser Mensch eine für Ihn weitreichende und vermutlich folgenschwere Entscheidung zu treffen hatte und seine Art, dies zu tun. Und ich dachte, ich erzähle Dir einfach davon .
Er hat sich überlegt, wenn es jetzt so wäre, wo es so viele Berichte darüber gibt, wenn es so wäre, dass man, wenn man stirbt, sein Leben noch mal so an sich vorüberziehen sähe, wie würden sich für ihn, aus der Perspektive, die verschiedenen Möglichkeiten anfühlen.
Dann hat er sich die Szenarien definiert.
1. Er machts nicht und läßt es so wweiterlaufen, wie bisher.
2. Er machts und es gelingt ihm auch noch.
3. Er machts und es gelingt ihm nicht aber er machts.
Also hat er sich erst mal vorgestellt, er hätte dieses eine nicht gemacht und es wäre einfach so weiter gelaufen, wie bisher.Und wie sich das in diesem Moment der Rückschau, nachdem man sein Leben gelebt hat, anfühlen würde, wenn das möglich wäre, das so zu betrachten und man hätte ein Gefühl dafür. Dieses Gefühl hat er sich gemerkt.
Dann hat er sich vorgestellt, er machts und es gelingt auch noch...
und dann hat er sich das wieder in dieser Vorstellung von einer Rückschau angesehen- und hingespührt, wie sich das anfühlen würde und auch dieses Gefühl hat er sich gemerkt .
Dann hat er sich vorgestellt, er machts und es ist ihm aber nicht gelungen. Aber er hätte sich doch für das Wagnis entschieden. Und auch das hat er sich aus dieser Art Rückschau angesehen und hingespürt, wie es sich von dort aus anfühlt und auch das Gefühl hat er sich gemerkt.
Und dann, dann hat er diese Gefühle miteinander verglichen und so fand er eine Entscheidung, bei der er sich besser fühlte, denn aus den Argumenten heraus, konnte er sie nicht finden. Es gab viele Leute, die Ihm zurieten und viele, die Ihm abrieten, aber keiner kannte die Zukunft und jeder nur seine jeweils eigene Vergangenheit. Also konnte er mit deren Zu- und Abraten eigentlich wenig anfangen. Über diese Vorstellungen einer Lebensrückschau fand er sein eigenens Gefühl dazu , das aus einer Haltung erwächst und die vielen Ereignisse und Alltäglichkeiten, die dann kamen, die wurden zu Aufgaben, statt zu Problemen.
Ich wünsche Dir sehr, dass Du Deinen guten Weg findest, von dem Du dann einmal, wenn das wirklich so wäre, sagen könntest: JA, so wars gut.
Liebe Grüße, Enno
hallo enno,
das klingt nicht ganz einfach ... muss ich mir nochmal langsam durchlesen ... dann glaube ich, könnte ich das nachvollziehen und praktizieren. was ich so drunter höre ist: dass man ein gefühl aktiviert. ein gefühl für sich selbst.
und da habe ich auch mal einen guten gedanken dazu gehört und für mich übernommen: es gibt ein oberflächliches gefühl, das einen möglicherweise im moment überschwemmt (am "beliebtesten" ist die angst) und dann gibt es ein tieferes gefühl, das in der ruhe "spricht". und dieses gefühl vertritt die position unserer person, die wir eigentlich sind. - auch kompliziert?
@ theresa:
für dich ist es wirklich kompliziert. du hast außer gefühlen ja eine menge äußere besonderheiten. es ist so eine totale ausnahmesituation: in einem fremden und wirklich fernen land. und alle menschen, die dir wichtig sind unerreichbar (oder nicht doch erreichbar über mail und tel?). unter fremden menschen. vor neuen aufgaben. einen mittelfristigen plan hast du schon ....
kannst du denn vor ort mit jemand reden? und wie ist es mit ärztlicher begleitung. hast du eine ahnung in welcher woche du schwanger bist?
die verständigung mit deinem freund ist auch nicht leicht, wenn man sich gar nicht sieht. könnte er denn DICH besuchen?
auf der basis einer beziehung könntest du dein kind bekommen. ihr müsstest also über eure (gemeinsamen) zukunftsvorstellungen reden. und wenn dein freund sich nicht dazustellt, könntest du immer noch andere gründe haben (-> tieferes gefühl). den gedanken: "bekomme ich das kind nur, weil mir die abtreibung derzeit zu aufwändig ist?" - sicher nicht.
wer ist für dich ein wichtiger vertrauter mensch, mal abgesehen von deinem freund? wo du mit allen deinen gefühlen aufgefangen bist?
da würde ich mal andocken.
ruhig und gefasst wirkst du wirklich. da staune ich über dich!
liebe grüße von layla
Hallo Layla
Danke für Deine Zeilen zu meinem Beitrag. Ja, ich denke, "Deins" und "meins" will das Gleiche: wie kommt man zu dem Eigentlichen Wichtigen oder auch zu dem , was man auf einer anderen Ebene schon entschieden hat, zu dem, was dem leben dient, und wie kommt man an den Wirrnissen aus Gründen und Argumenten, die der Verstand ja für jeden Gedanken liefert und liefern kann, so vorbei, dass man nicht drin stecken bleibt. Der Verstand wird da so laut und ich glaube , dass solche Entscheidungen nicht mit dem Verstand zu machen sind...
Layla, danke auch für die vielen Beiträge, die Du geschrieben hast, und die zu lesen auch mir gut tat.
liebe Grüße
Enno
liebe theresa
hier eine kluge entscheidung zu treffen braucht wirklich gute denkanstösse... es berührt mich sehr, dass du dich jetzt weit weg von daheim, ganz alleine mit einer so lebensverändernden entscheidung auseinander setzen musst! hast du vielleicht in kolumbien eine freundin mit dabei, die mit dir dort praktikum macht? um wenigsten mit jemandem face to face reden zu können... was studierst du? der erste gedanke der mir kam: vielleicht betriebswirtschaft!?
die idee, deine sitution vom ende des lebens her zu betrachten finde ich ganz interessant! - wie stellst du dir dein leben vor? an ein kind hast du JETZT natürlich noch nicht gedacht... aber generell? was sind deine ziele und innersten sehnsüchte? ok, dein freund ist erstmal nicht so dafür! aber er ist ja auch sehr weit weg von allem....
vielleicht soll es so sein, dass gerade jetzt wo es darum geht die weichen für dein leben zu stellen, niemand wirklich direkt verfügbar ist damit du deinen eigenen weg, einen, den du auch voll und ganz verantworten kannst, findest.
du theresa, jetzt hab' ich gleich einen termin! ich überlege aber weiter und melde mich wieder!
bis dann später,
felicia
Hey ihr,
danke für die netten Antworten. Ich versuche, auf mein inneres Gefühl zu hören. Da ich noch nicht weiß, in welcher Woche ich genau bin, vermutlich sechste, und ich immer noch nicht ganz weiß, ob es eine Möglichkeit gibt, hier abzutreiben, fällt mir eine Entscheidung unglaublich schwer.
Eine Freundin aus Deutschland ist gerade auch in Bogotá, mit der rede ich seit einer Woche über die Möglichkeiten. Außerdem habe ich auch mit meinen Eltern gesprochen. Alle, die Bescheid wissen, sagen, es ist meine Entscheidung, egal was ich entscheide, sie sind da und stehen hinter mir. Das macht die ganze Geschichte natürlich nicht einfacher.
Ich will auf jeden Fall irgendwann Kinder, aber jetzt ist vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt.
Und nur mal nebenbei, ich studiere nicht BWL, sondern Soziale Arbeit...
Grüße, Theresa
schade, dass alle sagen "das musst du selbst wissen"
da fehlt irgendwie bisschen der "herzschlag", also ich meine das gefühl dafür, dass es für dich jetzt etwas großes ist.
wie soll man das selbst wissen?
es spielt doch eine große rolle, ob jemand sagt: "hey - wäre doch auch schön! wir packen mit an." oder auch: "wäre ja furchtbar!!"
also, da wäre jeweils gefühl dabei und das setzt dann wieder was bei dir in gang.
irgendeine resonanz statt pokerface wäre schon schön und tatsächlich hilfreich für dich.
es ist ja nicht egal, ob du mama wirst oder nicht!?
vielleicht magst du nochmal bohren?
und: könntest du selbst dich mit dem gedanken anfreunden?
irgendwann ist jetzt jetzt ist irgendwann
dass du das praktikum fertigmachen könntest, wäre ein passendes timing.
wieviel studium hast du noch übrig?
eine bekannte von mir ist derzeit zum praktikum in sambia
das ist eine gute möglichkeit in diesem studiengang, oder?
liebe grüße von layla
hey liebe theresa,
ich freu’ mich, dass du wieder geschrieben hast! ...und soziale arbeit klingt für mich sehr, sehr interessant! da beschäftigst du dich jedenfalls mit menschen... toll!
und mit deiner freundin in bogotá bist du wenigsten nicht ganz so alleine in dem fernen land. sie überlegt und schaut sich mit um, wie’s mit der medizinischen betreuung und überhaupt als schwangere frau dort so wäre, oder? - hast du eigentlich selber getestet? oder warst du schon bei einem arzt?
bestimmt gibt es da auch sowas wie eine schwangerenberatung. hast du dich schon informiert? mich interessiert ja, ob in kolumbien auch so viele vorsorgeuntersuchungen gemacht werden wie bei uns hier in deutschland? na ja, jedenfalls dein praktikum könntest du zu ende machen und wärst im letzten trimester der schwangerschaft dann daheim. ist doch irgendwie gut getimt!
deine eltern werden vermutlich die situation selbst erst richtig realisieren müssen, um dir vielleicht zum kind mut zu machen. aber du hast ja schon mal ihre zusage, dass sie dich (wenn!) mit deiner kleinen überraschung unterstützen und dir helfen würden! - natürlich ist es dadurch jetzt nicht einfacher für dich aber doch irgendwie beruhigend! außerdem hast du ja immer noch zeit um richtig hin zu spüren wie sich eben wann, was anfühlt...
also für heute wünsch’ ich dir sehr, dass sich deine gedanken klären und schick dir für die kommenden tage ein großes päckchen vertrauen in dich, zuversicht und überhaupt lauter gute wünsche...
von herzen und von felicia
Liebe Theresa,
Ich bin sehr erleichtert, zu lesen, dass alle, die von dem Kind wissen, hinter Dir stehen -- egal was Du machst!! Gilt das eigentlich auch für Deinen Freund, so dass er nur seine Tendenz angibt, aber auch zu Dir - zu dem Kind und zu seiner Verantwortung steht, wenn Du es leben läßt?.....
Wenn diese wichtigen Leute zu Dir stehen, egel was Du machst-- dann könnte das doch auch so etwas heißen wie, dass ihre Liebe zu Dir- zumindest in dieser Angelegenheit - ohne Bedingungen ist - also hier und jetzt bedingungslose Liebe-- dass finde ich schon mal fast überwältigend großartig und wirklich besonders!
Du könntest- falls Du das brauchen kannst- dann ja noch mal nachfragen, wie deren Gefühle zu dem Kind denn sind - wenn sie das sagen könnten, ohne Dich unter Druck zu setzen- möglicherweise wollen sie dass vermeiden, Dich unter Druck zu setzen und riskieren deshalb kein Gefühl dazu zu äußern?...Du schrebst ja, dass sie alle hinter Dir stehen , egal, wie du Dich entscheidest und das machts Dir auch nicht leichter... also vielleicht danach fragen, wenn das gut wäre?
Und jedenfalls finde ich das so so gut, zu wissen, dass es so ein breites und festes Fundament gibt -- bedingunslose Liebe-- das ist kostbar! Das wäre immerhin ein wunderbar starker Hintergrund, einfach zu leben zu wagen und das Wagnis zu leben - " Ich könnte das Praktikum fertig machen und dann nach Deutschland fahren und ein Kind kriegen, das ist allerdings total unerwartet"....was da wartet...! JA allerdings!
Ich denke viel an Dich, wie es Dir ergehen mag und mir geht dieser Satz aus Deinem ersten Brief um " Ich habe Angst, dass es mir danach nicht gut geht und ich alleine bin..." Das Alleine sein wäre jetzt vielleicht geklärt? wenn die wichtigen Leute so fest zu Dir stehen? - oder geht es um ein anderes Alleinsein- wo die Anderen nicht hin können, wo du vielleicht alleine bleiben könntest? Nur, welche Seite, welches Wissen, welche Annahme ist es ? Welcher Seite in Dir würde es dann nicht gut gehen? und auf welche Weise? und wie würde die das merken, dass es ihr nicht gut geht? und woran würde sie es merken? und was möchte diese Seite so gerne , dass sein soll? und wie könnte das erfüllt werden?
Und dann gibts ja auch noch eine andere Seite, die die Abtreibung als Lösung ansieht. Und wie fühlt diese Seite sich bei dem Gedanken:"JA, das Kind ist willkommen es soll leben!" und woran würde diese Seite merken, wie sie sich dann fühlen würde? und wie würde sie es merken.? und was möchte diese Seite so gerne, dass sein soll? Und wie könnte das erfüllt werden?
Und was fühlt diese Seite bei dem Gedanken :" Nein , das Kind war nicht willkommen. jetzt ist es weg! " ? und wie würde sie merken , was sie dabei fühlt? und woran würde sie merken, was sie fühlt? und was möchte diese Seite bei dem Gedanken und den Gefühlen so gerne, dass sein soll? und wie könnte das erfüllt werden?
Liebe Grüße,
Enno
hallo theresa,
ich hab hier bisher still mitgelesen und wollte jetzt einfach mal nachfragen, wie es dir denn inzwischen so geht?
ist ja wirklich nicht einfach, in so einer situation in einem fremden land zu sein, wo man noch nicht viele menschen näher kennt und auch die gesundheitlichen gegebenheiten ganz andere sind ...
ein glück, dass eine freundin von dir grade auch in bogota ist und dir zur seite steht, sich zusammen mit dir über alle möglichkeiten informiert...
habt ihr denn schon neues erfahren, was dir weiterhilft?
und wenn du mal einfach in deutschland bei einer schwangerenberatung anrufst oder per mail kontaktest (hier auf der homepage gibt es ja auch ein beratungsangebot...!)? einfach nochmal dein herz bei jemandem ausschüttest, der sich mit so einer situation genau auskennt? da könntest du alle deine möglichkeiten mit der beraterin zusammen in ruhe durchdenken...
gut ist ja, dass du erst mal dein praktikum fertig machen kannst, auch mit deinem baby! wolltest du dein auslandssemester dann auch in kolumbien machen oder in einem anderen land? und dann wär natürlich zu überlegen, ob und wie das dann auch mit deinem kleinen machbar wäre, gell? hast du da schon ideen oder beschäftigt dich grade mehr die frage, wie das mit einer abtreibung gehen könnte?
schreib doch wieder von dir, ich les auf jeden fall wieder rein! auch wenn wir hier natürlich nur miteinander schreiben können, spürst du vielleicht dennoch, dass du nicht allein bist und wir (also ich zumindest auf alle fälle ganz fest!!!) an dich denken...!
herzliche grüße nach kolumbien aus good old germany !
andrea
Hey Teresa,
Ich hab deinen Post gelesen… und wollte einfach mal nachfragen, wie es dir inzwischen geht und ob du schon weiter gekommen bist in deiner Entscheidung!?
Ich habe selbst bis vor kurzem Soziale Arbeit studiert und habe auch ein Auslandssemester gemacht. Zwar nicht in Kolumbien, aber ich habe während dieser Zeit meinen Freund aus Kolumbien kennen gelernt Bei uns im Semester gab es einige, die auch sehr jung Kinder hatten oder während dem Studium bekommen haben… und ich hatte den Eindruck, dass sie sehr glückliche Mamis waren. Damit will ich nicht sagen, dass es leicht wird… aber ich habe sie dafür bewundert.
Ich selbst tu mir immer besonders schwer mit irgendwelchen lebenswichtige Entscheidungen… und deshalb wünsch ich dir auf jeden Fall, dass du Frieden findest über deine Entscheidung. Du bist glaube ich sehr stark und mutig, sonst hättest du nicht entschieden für so lange Zeit ins Ausland zu gehen… und auch noch nach Kolumbien.
Alles Liebe, Mathilde