Hallo ihr Lieben,
Ich wende mich heute mit folgendem Problem an euch. Ich bin ungewollt von meinem Freund schwanger geworden.Nun kam bei einer Untersuchung heraus, dass das Kind sehr wahrscheinlich schwer behindert sein wird und wird sein Leben lang auf Hilfe angewiesen sein. Für mein Freund ist das ein großes Problem und er ist auf jeden Fall für eine Abtreibung. Das würde sein komplettes Leben „ruinieren“ (seine Worte). Ich persönlich tendiere dazu, das Kind zu behalten, allerdings habe ich auf seinen Rückhalt gehofft, denn alleine schaffe ich das nicht. Abgesehen davon würde womöglich unsere Beziehung daran kaputt gehen und ich möchte ihn natürlich nicht verlieren. Ich bin mir in meiner Entscheidung auch noch nicht sicher, da ich noch studiere und meine Karriere stark darunter leiden wird, wenn ich mich für das Kind entscheide. Ich hoffe ich bekomme hilfreiche Ratschläge von euch.
Lieben Dank
Hallo Sonnenblume,
was genau wurde dir denn zur Behinderung gesagt? Welche Einschränkungen zu erwarten sind und was es für therapeutische Möglichkeiten gibt oder wie ein Leben mit dem Kind aussehen kann?
Ich finde es sehr bemerkenswert, dass ihr euch gemeinsam auf das Kind einstellen konntet, obwohl ihr beide von der Schwangerschaft überrascht wurdet. Und dass du dich sogar auf das Kind einstellen möchtest, auch wenn es nicht leicht werden würde. Das bist du wirklich sehr mutig! Ein großes Zutrauen spüre ich da bei dir.
Und natürlich schafft man es nicht allein mit einem Kind, das mehr braucht als ein gesundes Kind! Und du musst es auch nicht allein schaffen! Es ist daher wichtig und sehr hilfreich, wenn du dich möglichst umfassend informierst und auch Berichte von Familien bekommst, wie sie was gemacht und dann auch gut geschafft haben, welche Hilfen und Unterstützung es gibt. Was die Hürden sind, auf die du dich einstellen musst.
Das ist jetzt eine sehr intensive Zeit.
In welcher Woche bist du und seit wann wisst ihr von dem Untersuchungsergebnis? Bzw. liegt es überhaupt schon abgeschlossen vor?
Nun ist für dich noch schwer, dass dein Freund so gar keine Vorstellung bekommen kann oder mag, was euer Kind angeht - jedenfalls seit die Möglichkeit einer schweren Behinderung im Raum steht.
Das ist von seiner Seite schon verständlich, denn jede Ungewissheit macht Angst. Er ist auch nicht so existentiell mit dem Kind verbunden wie du. "Ruinieren" ist schon ein starkes Wort. Und das verletzt dich, denke ich. Drückt er damit aus, dass er einfach gar nicht damit klar kommt. Was sagt er sonst noch? - Zu zweit wäre es natürlich für dich viel eher denkbar - und für ihn letztlich auch. Er will schließlich auch dich nicht verlieren, oder?
Es ist eine große Herausforderung für ein Paar. Was meinst du: Ist es die persönliche Einstellung, ob die Beziehung daran kaputt geht oder ob man als Paar daran wächst?
Ihr merkt das eigentlich jetzt schon: führt euch diese Sorge und Hoffnung zusammen? Lernt ihr euch tiefer kennen? Dann "darf" auch mal ein schwergewichtiges Wort fallen, wenn darin Angst und Sorge steckt. Beides kann überwunden werden.
In kleinen Schritten vorgehen - das ist wohl die Erfahrung, wenn es schwierig wird. Nicht den ganzen Weg auf einmal in den Blick nehmen, immer nur den nächsten Schritt. Und wenn ihr den gemeinsam geschafft habt, den nächsten ...
Meistens ist bei einem Paar einer von beiden zu bestimmten Zeiten stärker als der andere. Wenn du Geduld hast mit ihm und er sich "mitnehmen" ließe ....?!
Die nächsten Schritte sind: informieren, fragen, umschauen, umhören .... Angst abbauen.
Kannst du dir das vorstellen? Habt ihr hilfreiche Menschen an eurer Seite?
Viel Kraft für dich jetzt und für dieses Jahr - so frisch liegt es da und ihr schaut gemeinsam, wie ihr es erleben möchtet!
Liebe Grüße von Layla
Hallo Layla,
erstmal danke für deine Rückmeldung und den Mut, den du mir gibst. Durch deine aufbauenden Worte fühle ich mich mit meiner Tendenz gegen die Abtreibung schon um einiges sicherer. Wir haben in der 10. SSW einen NIPT gemacht, welcher klare Hinweise auf Trisomie 21 gegeben hat. In der 12. SSW haben wir den Test dann wiederholt und bekamen das gleiche Ergebnis. Das Kind wird sozusagen sein ganzes Leben auf Hilfe angewiesen sein und uns in unserer Verwirklichung unserer Ziele stark einschränken. Ich denke auch, dass mein Freund mit der Situation prinzipiell sehr überfordert ist und er hohe Ansprüche an sich und seine Karriere hat, die er nun in Gefahr sieht. Trotzdem ist ihm unsere Beziehung sehr wichtig und das Kind, denke ich, wird es auch noch sein. Wir sind eigentlich ein gutes Team und diese Situation stellt uns extrem auf die Probe, aber die Chance, dass wir nicht aufgeben und daran wachsen steht für mich auf jeden Fall zur Option..
Liebe Grüße Sonnenblume
Ja, Mut braucht es immer wieder. Und dann auch eine Ruhepause, Gedanken sortieren und dann wieder einen nächsten Schritt mutig zu gehen. Im Moment könnt ihr gar nicht wirkliche Schritte gehen oder etwas tun. V.a. ist es die Aufgabe, die Offenheit auszuhalten.
Ich meine damit: dass ihr nicht wissen könnt, wie genau alles sein wird.
Trisomie21 muss nicht heißen, dass euer Kind ein Leben lang auf Hilfe angewiesen ist und die Karriere deines Freundes beeinträchtigen könnte. Es gibt viele Menschen mit Trisomie, die ein eigenständiges Leben führen. Natürlich kann es auch anders sein. Und euer Kind braucht wirklich viel mehr als ein chromosom-gesundes Kind. Allerdings können auch gesunde Kinder viel brauchen und den Lebens- bzw. Karrierelauf der Eltern beeinflussen.
Dass ihr euch als Team versteht und die Situation jetzt als Probe und Chance, dass ihr wachsen wollt und nicht aufgeben - das ist eine wirklich besondere Stärke. Für euch als junges Paar bemerkenswert reif und weitsichtig.
Ich hoffe, ihr habt gute Ärzte, die eure Stärke und euren Mut sehen.
Außer dem NIPT ist der Organultraschall bedeutsam. Es ist eine große Erleichterung, wenn die Organe gut ausgebildet sind. Das würde auf "wenig angewiesen auf Hilfe" hindeuten, bzw. auf einen leichteren Start ins Leben.
Mögt ihr Berichte von anderen Eltern? In eltern.de (das Forum wird Ende Januar geschlossen)/foren/praenataldiagnostik/1180383-14-ssw-nt-4-6-a - beschreibt ein Vater den Weg zu ihrem Kind und mit ihrem Kind. Mellifera ist der Nickname. Das ist sehr berührend. Vielleicht könnt ihr da etwas für euch finden.
Was außer solchen Anregungen würde dir und deinem Freund jetzt weiterhelfen?
Der Gedanke "Tag für Tag" ist immer eine Entlastung!
In diesem Sinn auch noch ein gutes Neues Jahr - Tag für Tag!
Layla
Hallo liebe Sonnenblume, ich weiß nicht ob du noch hier reinschaust? Ich hatte dir auch eine private Nachricht geschickt....und seither gehst mir garnicht aus dem Kopf und ich hoffe so sehr für dich, dass du jeden Tag ein wenig neue Zuversicht für dich spüren kannst.
Du bist schwanger, und dieses Kleine, welches sich so unverhofft bei dir und deinem Freund eingeschmuggelt hat, stellt euch vor eine große Herausforderung. Ja, ich verstehe deine Gedanken, die Angst um die Beziehung, das Studium, all das Unverhoffte und jetzt noch die Sorge um die Gesundheit des Babys? Das alles ist sicher nicht leicht zu bedenken und zu verarbeiten. Es ist dir so schwer im Herzen und die Angst spricht mit. Doch diese verständliche Angst braucht nicht so stehenzubleiben. Je mehr du erfährst, je mehr Infos du für dich einholst, um so vertrauter kannst dich mit der neuen Situation machen. Es hilft, den "Sorgenberg" zu bewältigen. Ich spüre auch beim Lesen deiner Zeilen, wie sehr du dich mit allem auseinandersetzt und gedanklich schon "für" dein Baby denkst. Und Layla hat dir auch schon viel Mutmachendes hier geschrieben. Natürlich hast du dir den vollen Rückhalt deines Freundes gewünscht, doch was nicht ist, das kann noch werden. Da ist sicher noch nicht das letzte Wort gesprochen. Und du traust es ihm ja doch irgendwie zu?😉
Momentan steht halt auch bei ihm die Angst im Wege. Doch eines ist sicher, sein Leben wird durch euer Kind nicht ruiniert, ganz bestimmt nicht! Das wird er selbst noch merken....Als Mann hat er halt momentan wirklich noch keinerlei Bezug zu dem Winzling. Männer brauchen da sowieso mehr Zeit um alles zu realisieren. Das ist bei uns Frauen schon anders...wir tragen die Kinder bei uns, ganz nahe am Herzen. Hat er denn schon ein Utraschall-Bild gesehen?
Liebe Sonnenblume, wie geht es dir überhaupt inzwischen, wie kommst du momentan über den Tag? Ablenken stell ich mir auch sehr schwer vor. Kannst du studieren, online vermutlich? Oder bist du krankgeschrieben?
Hast du Familie, Menschen mit denen du über euer Baby reden kannst, bei denen du auch mal traurig sein darfst? Ich kann dir ein bisschen von einer Freundin erzählen, sie hat mehrere Kinder und das Kleinste ist ein Mädchen mit T21. Als es geboren wurde hatte sie keine Ahnung, konnte sich nicht drauf einstellen und war natürlich auch geschockt, doch inzwischen hat sich alles so gut eingespielt. Die Kleine geht bei uns hier ein und aus, und ist schon recht selbstständig mit fünf Jahren, ein munteres Mädchen mit vielen Ideen, sie lacht fast immer und hellt die Stimmung auf, wenn wir zusammen sind. Diese Freundschaft hat mir den Zugang zu diesem Menschlein erschlossen und ich bin froh darüber und staune, wie unbeschwert die Familie inzwischen lebt. Und das, obwohl es wirklich nicht immer leicht ist.....
Die Eltern bekommen aber auch wirklich sehr viele Hilfsangebote und Unterstützungen. Das macht Mut. Man braucht wirklich nicht alles alleine zu stemmen und wird nicht alleine gelassen. Wenn es dich interessiert, dann kann ich dir verschiedene Infos geben liebe Sonnenblume.
Ich denke jetzt auf jedenfall weiterhin an dich, und wünsche dir viele gute Herzens-Begegnungen und wertvolle Informationen. Wann bist du denn wieder beim Arzt, steht dann ein Feinultraschall an?
Wenn du magst, dann schreib gerne wieder, alles erdenklich Liebe und Gute für euch, von Herzen,
Jovana