Hallo,
mein Abbruch liegt nun 11 Tage zurück, seitdem ist nichts mehr wie es war.
Ich bin Mama von zwei wundervollen Kindern und mit meinem Partner (nicht der leibliche Vater) nun seit sieben Jahren zusammen. Wir wollten immer ein gemeinsames Kind haben was jedoch die ganzen Jahre nicht geklappt hat. Zwischenzeitlich hatte sich in der Beziehung viel verändert, wir haben einige Höhen, jedoch mehr Tiefen gemeinsam durchgestanden. Das Thema baby war eigentlich nicht mehr präsent. Dann der Schock, ich war Schwanger und wusste nicht was ich tun sollte. Mein Freund wollte das Kind behalten, stellte aber einige "Forderungen'auf. Ich war erst in der siebten Woche und er sprach schon von einem Namen für das Baby, seinen Nachnamen sollte es auch bekommen und er wollte nach der Geburt unter allen Umständen (selbst wenn er mich vor Gericht ziehen müsste) das halbe Sorgerecht haben. Bei der Geburt allerdings wollte er nicht dabei sein. Er sprach von Heiraten und das er alles tun würde das ich niemals auf die Idee komme ihn mit dem Kind zu verlassen. Ab dem Moment habe ich mich nur noch unter Druck gesetzt gefühlt. Er wollte eine Entscheidung, im besten Fall für das Kind und so schnell wie möglich.
Ich suchte mir einen Gynäkologen in der Nähe um die Schwangerschaft bestätigen zu lasen und im besten Fall dort meine Sorgen und Ängste schildern zu können und Unterstützung zu erfahren. Dies war nicht der Fall. Von Anfang an habe ich mich dort nicht gut aufgehoben gefühlt, die Ärztin sowie die Sprechstundenhilfen waren recht kühl, die ein oder andere abfällige Bemerkung ist gefallen und über meine Sorgen konnte ich dort nicht sprechen, da ich von dem Moment an wo ich darüber sprach einen Abbruch in Erwägung zu ziehen wie eine aussetzige behandelt wurde man wollte alles schnell hinter sich bringen und ist null auf mich eingegangen.
Zwischenzeitlich hatte ich noch einen kleinen Unfall, weswegen ich ein paar Tage nicht laufen konnte und was mich bis jetzt noch einschränkt. Ich musste ins Krankenhaus, geröngt werde usw. Nach dem Baby wurde natürlich auch geschaut, die Ärzte waren alle sehr freundlich und um mich bemüht. Man sagte mir ich müsse mich mehr zurück nehmen, meine Werte wären nicht optimal und das Baby wäre eine Woche zurück entwickelt. Gut, ich war ja noch recht am Anfang, trotzdem spielte ich ständig mit dem Gedanken ob es richtig oder falsch wäre das Baby zu behalten.
Dazu kam noch unsere Wohnsituation. Diese ist nicht gerade optimal, zumindest was unsere Nachbarn betrifft. Unser Nachbar ist der Bruder meines Freundes, dieser hat seit Jahren ein starkes Alkoholproblem, seit zwei Monaten hat er eine neue Partnerin die den Konsum mit unterstützt und ebenfalls trinkt. Seitdem überschlagen sich die Ereignisse. Bis mitten in der Nacht wird krach gemacht, man wird angepöbelt, beleidigt und bedroht. Grundlos. Meine Kinder bekommen alles mit und leiden genau wie wir sehr unter der Situation. Mit den "Nachbarn" reden hat nichts gebracht, sondern die Situation eher verschlimmert. Noch ein Grund sich eher gegen die Schwangerschaft zu entscheiden, da man kein weiteres Kind unter der Situationen leiden lassen wollte.
In meiner Verzweiflung habe ich mich an meine engsten Freunde gewandt und ihnen von meiner Situation und dem Gefühlschaos berichtet. Zu einer Beratungsstelle bin ich ebenfalls gegangen. Bis auf eine Freundin hat mir jeder dazu geraten in der jetzigen Situation das Baby nicht zu bekommen. Alle redeten auf mich ein, das machte es nicht besser.
Mit meinem Partner habe ich immer wieder gesprochen und ihm klar gemacht wie verunsichert ich bin eine Entscheidung zu treffen, wirklich auf mich eingehen konnte er nicht. Letztendlich habe ich mich an eine Familienhelferin gewandt die ich schon eine Weile kannte und ihr von meinen Sorgen und Ängsten erzählt. Auch diese riet mir das es besser wäre die Schwangerschaft nicht fortzuführen.
Gut dachte ich. Mein Umfeld müsste mich ja eigentlich gut genug kennen und wenn dir jeder davon den Rat gibt einen Abbruch zu machen wird es wohl das beste sein. Mein Partner sprach nun auch davon das es wohl das beste wäre, also leitete ich alles in die Wege.
Kurz darauf war es auch schon soweit. Der Termin stand fest. Er brachte mich an dem Tag ins Krankenhaus, ich habe mich von ihm unterstützt gefühlt, auch den Tag danach.
Doch nun ist alles anders.
Ich bereue die Entscheidung zutiefst und würde sie am liebsten rückgängig machen, was natürlich nicht geht. Ich muss stark sein vor meinen Kindern (was mir nicht immer gelingt) und sobald ich einen Moment alleine habe breche ich in Tränen aus. Ich fühle mich hilflos und alleine gelassen. Die"Freunde' die mir dazu geraten haben es nicht zu bekommen melden sich seit dem Abbruch nicht mehr und mein Partner möchte nicht darüber reden, sondern einfach weiter mit dem Leben machen wie vorher, (es war ja meine Entscheidung und er hätte mir zu verstehen gegeben das er das Baby behalten möchte) , jedoch kam das so bei mir nicht an. Er zieht sich merklich von mir zurück und will kein Wort mehr darüber verlieren und ich soll auch keinen Gedanken mehr daran verschwenden. Alles leichter gesagt als getan.
Ich weiss einfach nicht was gerade richtig oder falsch ist. Gerade jetzt verspüre ich den großen Wunsch nach einem Baby. Nur wohin mit meinen Gefühlen und Gedanken? Ich weiss einfach nicht wie es gerade weiter gehen soll.
Auch weiss ich nicht was ich mit meiner Geschichte bezwecken will doch tat es gut die Gefühle in Worte zu fassen und ich danke jeden der bis zum Ende gelesen hat und mir vielleicht den ein oder anderen Tipp geben kann um aus meinem tief wieder raus zu kommen.
Liebe Grüße und allen einen schönen Tag.
Sari
Hallo liebe Sari,
es ist auf jeden Fall gut, dass Du alles hier aufgeschrieben hast!
Du hast es jetzt selbst vor Augen und bestimmt ist dir beim Schreiben vieles klarer geworden. Nämlich, wie eines zum anderen kam. Und du eine Stimme in dir gar nicht zu Gehör bringen konntest in all den vielen Ereignissen, die zeitgleich zur unerwarteten Schwangerschaft waren.
Was du geschrieben hast, ist deine Stimme.
Vielleicht erkennst du an deinem Schreiben, was es gebraucht hätte, damit du diese Stimme rechtzeitig gehört hättest.
Die Stimme der Fürsorge (wie könnte das Umfeld, also die Wohnsituation, besser werden?).
Die Stimme der Beziehung (wie kannst du dein Unwohl-Gefühl deinem Partner gegenüber zum Ausdruck bringen?).
Die Stimme der Sehnsucht (da war mal ein Wunsch nach einem gemeinsamen Kind).
Vielleicht kannst du fortfahren ...
Du schreibst: Nichts ist mehr, wie es war ... das ist dein Schmerz.
Du siehst jetzt erst, dass vieles von außen war, was gegen das Kind sprach. Und dass diese äußeren Dinge/Einstellungen das Problem waren. Da hätte sich Manches verändern lassen können mit der Zeit.
Leider hat niemand weiter gesehen.
Deine Gesprächsgegenüber haben vielleicht einfach nur so etwas wie ein „Echo“ zu Deinem Erzählen gegeben. Sie haben gesehen, dass es dir nicht gut geht jetzt mit der Schwangerschaft, und haben dann schnell einen Rat gegeben, anstatt die Situation im ganzen zu bedenken bzw. dich zu fragen.
Selbst der „gute Rat“, der ärztliche, der Rat der Menschen, die für das Kind sorgen wollten, war nicht genau das, was du gebraucht hättest. Auch nicht die „Besitzergreifung“ deines Partners (so kam es dir fast vor, oder?) – wo es fast so erscheint, als wäre ihm das Kind wichtiger als du!?
Eher einfach ein offenes Ohr für deine Not hättest du gebraucht. Denn du bist ja die Mutter.
Liebe Sari,
höre dir selbst gut und aufmerksam zu. Kann es sein, dass Schreiben dir liegt und guttut? Dann schreibe weiter – hier oder einfach für dich selbst.
Ich könnte mir vorstellen, dass du auf diese Weise einen guten Weg für dich findest. Dazu gehört die Trauer. Auch das Verstehen: dass Du selbst rückwirkend ein wenig mehr verstehst, wie es dazu kam. Auch das Sprechen: dass du dich anderen verständlich machst, wo es notwendig ist (deinem Partner gegenüber denke ich, der nicht so wirklich auf dich eingegangen ist, auch wenn er das Thema für beendet hält – das ist es nicht für dich).
Und schließlich: dass du jetzt für all das sorgt, was es gebraucht hätte, damit du die Stimme deines Herzens hättest hören können und ihr hättest folgen können. Es gibt wohl schon einige Punkte, wo es dir einfach nicht gut geht gerade. Das wurde dir durch die Schwangerschaft erst bewusst. Da kannst du jetzt auf einen Neuanfang hinlenken.
Die Zeit hat wohl auch gegen dich gearbeitet. Es ging wohl alles sehr schnell, auch noch durch den Unfall. Geht es dir denn dahingehend wieder gut?
Gib´ dir jetzt selbst die Zeit, die du „davor“ nicht hattest. Sei geduldig mit dir selbst, mit deinen Gefühlen.
Und gib dem Kleinen einen Platz in deinem Leben, in deinem Herzen, in eurer Familie.
Vielleicht ist die eine Freundin, die nicht gleich zum Abbruch geraten hat, jetzt die Person, mit der du reden kannst? Die dich versteht?
Liebe Grüße von Layla
Liebe Layla,
Ich danke dir für deine Ausführliche Antwort.
Die zweifelhafte leise Stimme in mir war die ganze Zeit über da, ich habe sie vernommen und auch versucht zum Ausdruck zu bringen, scheinbar zu wenig denn der Kopf hat sich vor das Herz gestellt. Anfangs habe ich mich sehr über die Schwangerschaft gefreut doch die Zweifel machten sich durch den ganzen Stress schnell breit.
Ich war der Annahme das die Menschen die mir nahe stehen das beste für mich wollten, doch im Nachhinein wird mir klar das sie eher ihre eigenen Ziele bzw Vorstellungen verfolgt haben und das positive daran von mir nicht hören wollten. Warum ich das denke? Meine Freunde haben nie viel von meinem Partner gehalten, immer wieder kamen Gespräche auf in denen mir gesagt wurde wie ungern sie mich an seiner Seite sehen ( mein Partner ist nicht so der gesellige Typ und eher dominant) und das es besser wäre wenn ich mich trennen würde. Ich muss dazu sagen das ich vor einigen Jahren zu meinem Partner gezogen bin und der Großteil meiner Freunde nicht vor Ort ist, deshalb waren Gespräche nur über das Telefon möglich und daher meine Gedanken dazu. Nur das wird mir erst im Nachhinein bewusst.
Einen Platz in meinem Herzen hat das kleine bekommen und da wird es immer bleiben.
Ja, schreiben liegt mir, vielleicht sollte ich das in Zukunft mehr nutzen um meine Gefühle auszudrücken.
Bezüglich des Unfalls, es geht langsam in kleinen Schritten bergauf.
Ich bin mir unsicher ob sie gerade die Person ist mit der ich sprechen sollte, sie hat gerade auch ein paar Baustellen abzuarbeiten, ich möchte ihr nicht zur last fallen da sie sich ebenfalls zurück gezogen hat und ein Treffen ist beiderseits gerade nicht möglich. Vielleicht brauch ich auch einfach noch etwas Zeit und Ruhe, am liebsten bin ich gerade für mich alleine oder mit meinem Partner und meinen Kindern zusammen.
Liebe Grüße
Sari
Liebe Sari,
dir ist wirklich viel bewusst geworden. Besser gesagt: es war dir alles schon bewusst, nur nicht die Bedeutung, die Wichtigkeit deiner Gedanken und Gefühle.
Du hast dem Kind seinen Platz in deinem Herzen gegeben. Und da wird es bleiben.
Es erinnert dich vielleicht von nun an daran, dass du selbst das beste Gespür für dich selbst hast – nicht die anderen.
Und das Schreiben kann dir wirklich Kraft geben, zuerst für dich zu formulieren, was du anderen Menschen sagen möchtest. Und dann kannst du es auch sagen.
Was deine Freunde über deinen Partner sagen, mag sogar ein wenig stimmen. Es hat dich ja auch gestört, wie er mit der Nachricht umgegangen ist.
Gleichzeitig, haben auch deine Freunde dich „dominiert“.
Liebe Sari, was ich dir ganz sicher sagen möchte: Du darfst dich anderen Menschen zumuten, so wie du bist und denkst und fühlst. Das ist sogar wichtig, dass Beziehungen wachsen und auch beide in der Beziehung wachsen. Wenn du deine eine Freundin gerade schonen möchtest, ist das schon gut. Vielleicht zu einer anderen Zeit. Jedenfalls hat sie etwas gespürt, was du auch in dir getragen hast.
Ich glaube, es täte dir gut, wenn du mit deinem Partner jetzt näher zusammenkommen könntet. Wenn ihr euch in eurer Verschiedenheit verstehen könntet. Oder jedenfalls zuhören, annehmen, was der andere sagt. Leicht ist es nicht, über tiefe Gefühle zu reden. Dein Partner hatte vielleicht Sehnsucht nach einem gemeinsamen Kind. Aber nicht die Behutsamkeit mit dir.
Vielleicht wäre es wirklich gut, ihr könntet woanders wohnen. Würde das für dich eine Entlastung bedeuten? Dass aus dem Schweren, was gerade du im Moment durchlebst (ich vermute aber auch er), doch noch etwas Gutes erwachsen kann.
Es ist gut, dass du alleine, aber auch zusammen mit deinen Kindern und mit deinem Partner für dich Geborgenheit und Kraft findest.
Schreib´ gerne wieder, wenn es dir guttut.
Wenn es dir eher guttut, einfach für dich zu schreiben – oder deinem Partner (das könnte auch ein Weg sein), ist es auch o.k.
Du findest deinen Weg.
Ganz liebe Grüße von Layla