Hallo ihr Lieben!
Es fällt mir unfassbar schwer hier reinzuschreiben, nicht nur weil es um ein natürlich sehr aufwühlendes Thema geht, sondern auch weil ich mich dafür schäme.
Vor ungefähr 5 Monaten wurde ich nach einem offenbar unbemerkten Verhütungsunfall schwanger. Völlig ungläubig hielt ich den positiven Test in der Hand, immer wieder schoss mir der selbe Satz in den Kopf 'ich kann das nicht, ich bin doch noch viel zu jung'. Mein Freund reagierte wundervoll, er freute sich trotz seiner anfänglichen Angst, versicherte mir, er würde mich bei jeder Entscheidung unterstützen.
In den Tagen bis Wochen darauf durchlebten wir ein völliges Gefühlschaos. An einem Tag war ich mir sicher, dieses Kind bekommen zu wollen, schließlich gäbe es nie 'den richtigen Zeitpunkt' und ich liebte meinen Freund, wir hatten durch ihn und unsere Familien finanzielle Sicherheit, planten schon davor eine gemeinsame Zukunft. Ich freute mich richtig.
An anderen Tagen überwog das Gefühl der vollkommenen Hilflosigkeit, ich fühlte mich der Aufgabe nicht gewachsen, ich war erst 21 und in meinen Augen selbst noch ein Kind, mitten im Studium, wohnte in einem anderen Land als meine Familie.
Ich wurde immer unsicherer, ob ich das Kind bekommen wollte, hetzte von Beratungstermin zu Beratungstermin, in der Hoffnung, jemand könne mir bei der Entscheidung helfen.
Doch jeden Tag bekam ich ein bisschen mehr Angst, nicht bereit zu sein, machte schließlich einen Termin zum Schwangerschaftsabbruch aus und zog es durch.
Obwohl das ganze ein absolut traumatisierendes Erlebnis war, war ich zunächst erleichtert, nicht mehr in dieser Entscheidungsposition zu sein und in den ersten Tagen ging es mir damit eigentlich verhältnismäßig gut.
Doch dann kam der Einbruch. Seit Wochen kann ich an nichts anderes mehr denken, fühle mich als hätte ich die falsche Entscheidung getroffen. Jedes mal wenn ich versuche, mich in die damalige Situation hineinzuversetzen, um die Gründe dafür zu verstehen, sehe ich diese zwar objektiv, fühle sie jedoch nicht mehr. Vermutlich gehört das alles zu dem Verarbeitungsprozess dazu und mir ist klar, dass es jetzt -da ich nicht mehr in der Position bin, diese schwere Entscheidung zu fällen- einfach ist, zu sagen, dass ich es heute anders machen würde. Aber ich habe zusätzlich so einen starken Kinderwunsch entwickelt, dass es mich fast zerreißt. Und dafür schäme ich mich jetzt, obwohl ich dafür nichts kann. Bitte versteht mich nicht falsch, ich werde auf keinen Fall versuchen, jetzt erneut schwanger zu werden, weil ich nicht weiß, ob es eben nur die Trauer ist, und ich mich nicht wieder ähnlich entscheiden würde, wenn ich in der selben Situation wäre. Aber ich bin so verzweifelt, wie ich mit diesem Wunsch umgehen soll. Ab wann ich weiß, dass ich es vielleicht wirklich will, ab wann ich wirklich 'bereit' bin. Irgendwie vertraue ich mir selbst nicht mehr.
Tut mir leid für den langen Text, aber vielleicht ging es der ein oder anderen von euch ja mal ähnlich? Ich wäre unendlich dankbar für jegliche Tipps oder Erfahrungsberichte!! Vielen Dank für's Lesen!
Alles Liebe,
Marie
Liebe Marie, ich glaube, es ist sehr gut für dich, dass du dich überwunden hast, hier zu schreiben. Hast du dich danach erleichtert gefühlt?
So wie du deinen Weg zum Abbruch beschreibst, war es wirklich keine gereifte Entscheidung, sondern eine Entscheidung aus Angst. Den Druck, den du beschreibst, kann ich sehr gut verstehen.
Wie eine Prüfung, auf die man zugeht und noch wenig gelernt hat. Und dann kommt der Tag immer näher und die Menge, was man schon gelernt haben sollte, muss in immer weniger Tagen geschafft werden, was unmöglich scheint. Und dann meldet man sich von der Prüfung ab.
Dann ist man erstmal erleichtert.
Diese Erleichterung hast du eine Weile gespürt. Und nun holt es dich ein. Wie gut, dass du es nicht verdrängst, sondern sich deinen Gefühlen stellst. Dann wird es besser werden!
Ihr hättet es sicher gut hinbekommen. Was in der Angstsituation dagegen sprach, siehst du nicht mehr und fühlst die Angst nicht mehr. Dafür die Trauer. Ich glaube, diese Trauer braucht jetzt Zeit. Ob das dein Freund verstehen kann? Und du selbst auch einwilligen kannst? Der Abschied findet sozusagen jetzt im Nachhinein statt. Du warst nicht darauf vorbereitet. Darüber wurde vielleicht in keinem Beratungsgespräch gesprochen, dass es um einen Abschied geht.
Ich hoffe, dass ihr beide - du und dein Freund - über all dem nicht uneins geworden seid. Sondern es gemeinsam tragen könnt.
Dein starker Kinderwunsch jetzt hat sicher noch mit der Trauer zu tun und richtet sich vielleicht noch auf das Verlorene. Wenn du die Trauer zulässt und dir die dafür Zeit gibst, wirst du dein Selbstvertrauen und deine Sicherheit wieder gewinnen.
Ich finde es bemerkenswert, dass du sagst:
Wenn ich jetzt schwanger werden würde, würde ich aus Trauer vielleicht wieder in die gleiche Angst zurückfallen und wieder abtreiben, obwohl ich das ja gar nicht will und jetzt auch sehe, dass wir es schaffen könnten. Das ist sehr aufmerksam dir selbst gegenüber. Du bist da sehr wach.
Und damit ergibt sich ein gutes Weitergehen. Trauert gemeinsam, jedes von euch auf seine Art. Ihr kommt euch damit wieder näher und versteht euch tiefer. V.a. wenn ihr euch nicht gegenseitig Vorwürfe macht.
Es war jetzt leider so. Ihr seid beide traurig und haltet beide weiterhin an euren Zukunfsplänen fest.
Ihr legt es nicht drauf an, jetzt wieder schwanger zu werden, aber wenn es wieder zu einer Schwangerschaft kommen sollte, bist du doch weiter als bei dieser und kannst dich dann für das Kind entscheiden, weil du den Abschied und die Trauer für dieses Kind zugelassen hast.
Der Wunsch ist wie ein kleines Feuerchen in dir. Wie eine Liebesflamme, die sich zugleich nach dem verlorenen und nach dem zukünftigen Kind sehnt. Feuer wärmt und tut aber auch weh, wenn man zu nahe kommt. Vielleicht bringst du es so zusammen?
Du spürst den Schmerz und weißt zugleich, dass es sehr kostbar ist, was du da in dir spürst, und dass es sich eines Tages erfüllen darf und wird. Schmerzlich-schön. Hilft dir diese Vorstellung.
Gebt eurem Kind einen Platz in eurem Leben, in eurem Herzen. Und dann geht ihr weiter euren Weg.
Alles Liebe dir und euch beiden!
Layla
Liebe Marie,
ich kann dich sehr gut verstehen. Mir ging es genauso, ich habe damals ebenfalls einige Monate nach der Abtreibung einen starken Kinderwunsch entwickelt.
Ich habe das auch schon von anderen Frauen gehört, die eine Abtreibung hatten.
Ich denke, es ist ein Teil des Verarbeitens und man sollte sich die Zeit auch nehmen, die Schwangerschaft und Abtreibung erstmal wirklich zu verarbeiten (evtl. auch mit therapeutischer Hilfe) bevor man eine weitere Schwangerschaft anstrebt.
Ich wünsche dir alles Gute und viel Kraft!