Am 29.09.2022 sollte meine Periode kommen, aber sie kam nicht. Abends ging ich zu DM und holte einen Schwangerschaftstest - ich konnte nicht warten bis ich zu Hause war, also ging ich nochmal zurück ins Büro - um den Test gleich zu machen - er war positiv.
Ich konnte es nicht glauben, war panisch und hatte zeitgleich aber auch ein Gefühl der Freude - mir wurde aufgrund einer Gebärmutterhalskrebsbehandlung und Zyklusverkürzung schon vor 10 Jahren gesagt - "Kinderwunsch wird ohne Hormone nicht möglich sein" - und jetzt wars doch so, ohne Hormone, einfach da.
Ab dem Moment war nichts mehr wie vorher.
1000 Gedanken gingen mir durch den Kopf - was sage ich ihm, was sage ich in der Firma- kann ich das überhaupt, jetzt, wo ich mich gerade für einen Wettkampf vorbereite, umgezogen bin & die Wohnung endlich fertig eingerichtet ist - und wie reagiert mein Chef auf karenz usw....
Zu Hause angekommen, machte ich noch einen weiteren, digitalen Test - auch der war positiv. Zwischenzeitlich hatte ich auch mit meinem Freund telefoniert, er hatte es sehr relaxed aufgenommen- ziemlich ruhig - denn aufgrund meiner bisherigen Einstellung war er sicher ich würde abtreiben.
Am nächsten Tag machte ich einen dritten Test, der zeigte schwanger 2-3 Wochen an.
Im Büro angekommen, sah man mir sofort an, dass etwas nicht stimmte, ich kann mich schwer verstellen. Ich ging öfters vor die Tür an die frische Luft, dort erzählte ich es leider meinem Chef. Sofort wurde auf mich mit "Abtreibung" eingeredet, ich wäre nicht der Typ für ein Kind, ich bin eine Karrierefrau... ich hatte dann online einen Termin in der Abtreibungsklinik gebucht - allerdings den letzten der frei war, fast 1 Monat später. Heute weiß ich, wäre ich mir sicher gewesen hätte ich den ersten Termin (in 3 tagen) gebucht.
Ich buchte am Wochenende dann einen Gynäkologentermin, um zu erfahren wie weit ich bin - bzw. was überhaupt wirklich ist. Auch der Arzt bestätigte eine einwandfreie Schwangerschaft in der 5. Woche.
Mein gesamtes Umfeld reagierte negativ, niemand, mit dem ich sprach, sagte mir etwas positives. Wochenlang hörte ich täglich stundenlang das ich das nicht tun kann, ich bin zu alt, er wäre zu alt, Risikoschwangerschaft, krankes Kind usw, ich wäre quasi unfähig, und ohnehin alleinerziehend- ich würde mein Leben ubd das vom Kind im Vorhinein schon ruinieren.
"Mach kein Drama, das dauert 15 min und nachhher bekommst einen Kaffee mit Kuchen & alles is wieder wie vorher"
Niemand wollte akzeptieren, dass ich es eigentlich haben möchte.
Warum das plötzlich so war, kann ich nicht sagen - mit dem plus am Test hat sich mein ganzes Leben plötzlich geändert.
So kam es, dass ich nicht mehr schlafen konnte, ständig im zwiespalt war mit meinen Gedanken "soll ich / soll ich nicht"
Ich vereinbarte Urlaub, später musste ich mich krank melden - ich konnte mich keine Sekunde konzentrieren.
Der Termin rückte immer näher, als ich plötzlich beschloss ihn zu verschieben. Das ging 3 x so, bis ich wirklich schon sehr, sehr knapp an der Frist für die Abtreibungspille war. (Hier funktioniert ein Abbruch nur bis zur 9. Woche)
Eine Curretage kam für mich nicht in Frage! Auch das war wohl eine Art "Intuition" Ich wollte diese Art Eingriff auf keinen Fall - obwohl ich aus medizinischen Gründen, schon öfter curettagen hatte, also ich hatte keine Angst davor - aber ich lehnte es ab.
Den 3.Termin stornierte ich kurzfristig, ohne einen neuen zu buchen. Ich dachte - "ok, ich hab mich entschieden"
Meinem Freund sagte ich nix davon, er ging fix von dem Termin aus, und kam am nächsten Tag vorbei- um nach mir zu sehen. Ich konnte ihm nicht sagen dass der Termin nicht stattfand - ich konnte nicht. Als er weg war, war ich extrem belastet, unruhig, nervös, panisch, traurig, verletzt- alles gleichzeitig.
Leider rief ich in der Klinik an, und bekam einen Termin für den nächsten Morgen.
Dort angekommen, waren alle seht nett & diskret, die Ärztin klärte mich auf, und empfahl mir dringend die curettage- da ich schon sehr knapp wäre an der Frist, und in 2 % der Fälle müsste trotzdem nachcurretiert werden, ausserdem wäre die Variante sehr schmerzhaft & psychisch fordernd - es wäre nicht nötig mich zu quälen.
Ich lehnte ab mit den Worten "ich mache das zu Hause alleine - wenn es lebt, hat es nur mich - und wenn nicht, dann auch"
Irgendwie wollte ich mich selber bestrafen, für das nicht einstehen für mich selber & mein Baby.
Die Ärztin gab mir die Tablette die ich vor ihr schlucken musste , und zusätzlich noch eine Anleitung mit div anderen Medikamenten. 48 Std später muss man ein wehenmittel einnehmen & dazu gab's mehrere schmerzmittel.
Ich bezahlte und fuhr direkt mit Tränen & Schuldgefühlen nach Hause.
Die nächsten Tage verliefen traumatisierend, ich hatte extrem starke Blutungen, unvorstellbare Schmerzen & schuldgefühle meines Lebens.
Ich konnte nicht glauben, dass ich mich so beeinflussen ließ, dass ich nicht einfach das tat was ich gerne wollte.
14 Tage später hatte ich die Nachkontrolle.
An diesem Tag machte ich einen Fruchtbarkeitstest - ich war zu dem Zeitpunkt überzeugt, eine künstliche Befruchtung demnächst durchführen zu lassen & wollte wissen ob ich wieder fruchtbar bin.
Und das war ich - der Test zeigte volle Fruchtbarkeit an - so klar hatte ich das Ergebnis noch nie zuvor ablesen können.
Das beruhigte mich etwas, und ich ging entspannt zur Kontrolle.
Schlagartig änderte sich meine Entspannung- als die Ärztin meinte "ohje, n das hat leider nicht funktioniert, es ist noch da!" Ich bin wie auf Nadeln aufgesprungen mit dem Ultraschallgerät noch in mir "Wie bitte? LEBT ES? IST ES GESUND?" die Ärztin versuchte mich zu beruhigen, sie möchte noch fertig schauen- und sagte mir dann es wäre alles intakt, sie schiebt mich für die curettage am Freitag noch ein - weil jetzt wäre ich sehr spät schon auch für die curettage dran. Ich hatte sofort gefragt ob ich dem kind mir dieser Aktion geschadet habe, ob es behindert oder sonst beeinträchtigt dadurch wurde. Sie verneinte! Sie sagte mir, dass Medikament ist eine "Alles oder Nichts Lösung- entweder es ist weg oder es passiert nichts, und bleibt intakt"
Damit- war für mich das Thema Abbruch durch.
Um ehrlich zu sein, war der 16.11.2022 dann der glücklichste Tag seit langem, ich bekam sozusagen eine zweite Chance - und die habe ich auch genutzt.
Ab sofort buchte ich bei meinem Gyn einen Termin zur Kontrolle, der mir ebenfalls bestätigte, dass soweit man aktuell beurteilen kann, alles in Ordnung ist.
Im Büro reagierten alle negativ - den ganzen Tag hatte ich Vorwürfe & Vorhaltungen ich würde das nicht schaffen, und dem kind täte ich nix gutes damit....
Wenn 8 Std am Tag x Menschen auf dich einreden, negativ, dann kannst du das nicht ohne Spur wegwischen.
Ich bekam nach 3 Arbeitstagen Blutungen.
Ich hatte furchtbare Angst um mein Baby.
Beim Gyn stellte sich heraus - die plazenta läge sehr tief und daher kämen die Blutungen. Ruhe einhalten, kein schweres heben, kein Sport- entspannen.
Ich meldete mich damit krank, und damit wurden die Probleme im Job noch schlimmer. Die Blutungen kamen schubweise, immer wenn wieder ein stressor auftrat.
Ende Jänner wurde ich deshalb in Mutterschutz geschickt - und nach und nach besserte sich mein Zustand zum Glück.
Mein Freund war schockiert als ich ihm sagte, ich behalte das Baby.
Er konnte nicht verstehen warum ich meine Meinung änderte, mein ganzes Leben würde sich umkrempeln, und er kann auch nicht immer da sein....
Letztendlich hat er es akzeptiert.
Mein Umfeld hat es auch akzeptiert - wobei ich mich hier von über 90% der Leute getrennt habe.
Nun bin ich seit 14.05.2023 stolze Mama einer gesunden, hübschen & mega süßen Tochter, die ich über alles liebe.
Und auch ihr Papa liebt sie.
Es kommt nicht oft vor, dass Babys einen med. Abbruch standhalten.
Ich bin sehr froh & dankbar dass meinem Baby nichts passiert ist.
Sollte ich jemals wieder schwanger werden- werde ich es zuerst für mich behalten- bevor ich mit irgendjemand anderem darüber spreche.
Definitiv würde ich auch diese Schwangerschaft dann austragen, 100%.
Ich empfehle jeder Frau in diesem speziellen Fall - "nur auf das Bauchgefühl" zu hören - es ist euer Leben - nicht das der anderen!
Liebe Claudia,
was du schreibst, grenzt nicht an ein Wunder, es IST ein Wunder!
Es sind zwei Wunder!
Einmal, dass dein Kleines überlebt hat! Das kommt nicht oft vor, schreibst du. Und wie gut, dass ihm nichts passiert ist! Du hattest ja Angst, ob die Medikamente doch geschadet haben könnten.
Das zweite Wunder:
dein Bauchgefühl! Dein inneres Wissen, das von allen "niedergemacht" wurde und sich umso mehr "verwurzelt" hat.
Ich denke an eine Pflanze, die im Wurzelgrund stärker wird, je schlechter die Bedingungen über der Erde sind - und die dann umso kräftiger aufwächst, wenn Sturm oder Hitze vorüber sind.
Es ist erschütternd zu lesen: Niemand hat zu dir und zur Schwangerschaft etwas Positives gesagt. Und das hast du ausgehalten. Ein "Klimawandel" gegen dich, den niemand bekämpft, nichtmal als solchen bemerkt oder benannt hat. Den nur du abbekommen hast. Und abgefangen hast. Das ist für mich ein Wunder! In einem so negativen Umfeld beim Bauchgefühl bleiben. Bzw. es überhaupt erst so klar zu spüren, dass sich innerlich etwas wehrt.
Deine Intuition war so klar: Den späten Termin. Die wichtigste äußere Stimme war in allem doch der Papa. Und ihm hättest du fast nachgegeben. Oder hast es sogar. Und dann das Wunder, dass eure Tochter alles unbeschadet überlebt hat.
Du denkst jetzt in diesen Tagen an die Tage letztes Jahr. Und kannst wie eine Königin jeden dieser "anderen" Tage mit deiner Prinzessin von einer höheren Warte aus sehen. Was dich vor einem Jahr niedergedrückt hat, hast du überwunden. Du hast dich und deine Kraft kennengelernt. Was andere verneint haben (dass du überhaupt ein Kind bekommen kannst) und abgelehnt haben (dein Kind und dich als Mutter) - dazu hast du dein Ja gesagt. Oder besser: dein Ja gelebt! Es ging einfach gar nicht anders.
Was für eine Geschichte! Sie öffnet den Blick für Unsichtbares! Danke dir für´s Schreiben!
Ich muss es immer und immer wieder lesen. Auch nach deinem Bangen war die Atmosphäre noch nicht "kinderlieb". Was für eine Kraft hast du in dieser Zeit aufgebracht!
Und schließlich hast du gemerkt, wen du nicht in deinem Leben brauchst und wen du brauchst.
Auch das ist ein Wunder, ein drittes. Dass du dich trotz Trennungen nicht alleine oder traurig fühlst, sondern wie eine Königin - ist es o.k., wenn ich das so sage? Es liest sich so.
Alles alles Liebe und Gute für dich und deine Tochter und den Papa!
Layla
Liebe Layla,
Vielen lieben Dank für deine lieben & unheimlich aufbauenden Worte.
Deine Antwort gibt mir eine ganz andere Perspektive auf meine Story, von der ich es bisher noch nicht betrachtet hatte, nämlich dass ich tatsächlich viel ausgehalten habe, und stolz auf mich sein kann, vielen Dank.
Nein, alleine fühle ich mich nicht - im Gegenteil, ich bin nun nie mehr alleine 😊
Ich möchte noch anmerken, dass nach dem November Termin, an dem ich erfuhr, dass mein Baby noch da ist, ich 2 Personen informiert hatte.
Zum einen eine Kollegin, der ich offenbarte, dass ich es bekommen werde. Ab diesen Moment hat sie mich versucht zu unterstützen, und dafür war ich dankbar.
Und meinen Vater - der wusste von der ganzen Story davor nichts, und der hat sich wirklich richtig gefreut, und ist auch heute absolut glücklicher Opa.
Von diesem Tag bis heute würde ich sagen, ist die engste, unterstützende Person mein Vater.
Ein paar Kolleginnen telefonisch/whatsapp habe ich behalten - aber oberflächlich.
Als "Freunde" würde ich davon niemand bezeichnen. Aber auch das ist in Ordnung 😊
Ich wünsche dir auch alles Liebe Layla!
Liebe Grüße Claudia