Seit meiner Schwangerschaft bin ich so einsam, so auf mich gestellt. Als müsste ich das Laufen neu lernen, nur ohne sichere Hand, die mich hält.
Der Vater meines Kindes war von der Schwangerschaft nicht allzu begeistert, hat mich zur Abtreibung drängen wollen. Ich habe so oft gefleht, gebettelt und geweint, das ich es behalten kann, das es leben darf, aber es führte kein Weg dahin. Also Termin bei der Beratungsstelle, dann in die Klinik zum Vorgespräch. Ich bin durch die Hölle gegangen, die Ärztin wollte mir nichtmal mein Baby, mein kleines Engelchen, zeigen. Es war so schrecklich, überall glückliche Mütter mit ihren Kindern und zwischendrin saß ich: mit Tränen in den Augen und einem gewaltsam in tausend Teile gerissenes Herz. Ich leitete meinen Umzug in die Wege, bekam die Stelle bei meinem Traumarbeitgeber. Es sollte mich auf andere Gedanken bringen, weg von dem ganzen Schmerz. Dann sah ich ihn erneut, den Herzschlag. Es schlug so kräftig, als würde es niemals aufhören wollen. Es schlug, als würde es für mein gebrochenes mitschlagen. Mein Herz zerbrach aufs Neue. Jedes Mal tat es mehr weh. Die Bilder waren ein Traum, mein kleiner Engel war so schön, aber er musste laut dem Vater sterben. Irgendwann nahm ich die letzte Kraft zusammen, lehnte mich gegen die Welt auf und entschied mich für das Baby. Der Vater sollte es so hinnehmen, er hatte die Wahl: entweder unterstützt er uns oder er bleibt uns fern. Er entschied sich für ersteres, bis er wieder alkoholisiert ausrastete. Ich brach noch in der Tür zusammen, weil er mich gegen den Türrahmen geschmissen hatte, im Flur bekam ich seine Faust in den Bauch, ich war zu langsam ihn zu schützen, er traf voll in die Mitte. Ich rannte zum Auto, wollte nur weg. Als ich drin war und die Tür schon zu war riss er sie wieder auf und zog mich gewaltsam raus und schmiss mich auf die Pflastersteine. In jeder Situation hat mir keiner geholfen, in der letzten stand seine Tante daneben, sie griff nicht ein. Ich kam dann endlich aus der Situation heraus, nach einer kurzen Bedenkzeit fuhr ich ins Krankenhaus, ich hatte solch eine Angst um mein Baby. Es war schrecklich. Wie erklärt man in der Notaufnahme am Neujahrsmorgen das man einen Schlag in den Bauch bekommen hat? Ich weiß nicht mehr so recht was ich gesagt habe, aber die Schwestern haben mich dann auf Station gebracht. Als ich dann den Herzschlag und die Bewegungen vom Baby sah und hörte, daß bis jetzt alles gut aussieht weinte ich vor Freude. Unter der Dusche entdeckte ich dann die körperlichen Wunden, die er mir hinterlassen hat: aufgeschürfte Schultern und Becken und Handflächen. Es brannte, ich konnte nachts nicht mal auf der Seite schlafen. Nachts bedrohte er mich, er wolle kommen und mir das nehmen, was ich ihm genommen hätte. Alles war so schrecklich. Und ich hatte keinen mit dem ich reden konnte.
Ich bin durch die Hölle gegangen und weiß nicht wohin mit meinem Schmerz, ich weiß nicht wie ich das alles verarbeiten soll. Es war die schlimmste Zeit, die ich je in meinem Leben durchgemacht habe.
Irgendwann werde ich meiner kleinen Kämpferin davon erzählen, damit sie vorsichtiger bei Männern ist, damit sie sich wehrt, damit sie glücklicher wird.
Liebe asw,
es ist erschütternd, was du erzählst. Vielleicht das erste Mal so ausführlich oder so alles zusammen? Du bist ja immer wieder Menschen begegnet, im Krankenhaus, beim Arzt - aber niemand hat das Ganze gesehen. Niemand weiß alles, was du durchlitten hast.
Und niemand weiß, wie einsam du dich fühlst und wie schwer alles noch ist, obwohl du ja dein Kind beschützt hast! Nicht von dir ging die Aggression aus. Darum wäre die Überschrift vielleicht eher so passen: Wie ich mein Kind fast nicht genügend beschützen konnte.
Aber du hast es doch geschafft!
Die schlimmste Zeit liegt hinter dir. Es tut alles noch weh, vielleicht gerade jetzt, seit du auf dich gestellt bist.
Ja, es ist wie "neu laufen lernen". Und zwar auf eigenen Beinen. Und die sind noch ungeübt, weil sonst andere bestimmt haben. Mit der Zeit spürst du, dass du selbst gehen kannst und zwar ohne ständige Angst. Es fühlt sich noch unsicher an. Du wirst aber immer sicherer.
Die Zeit zu verarbeiten liegt vielleicht vor dir. Zunächst mal hast du dich und deine Tochter gerettet. Das ist das Wichtigste!
Inzwischen ist deine kleine Kämpferin geboren. Nun hast du einen wichtigen Plan, eine Hoffnung: Dass sie vorsichtiger sein wird. Dass du ihr diese Vorsicht mit auf den Weg geben kannst.
Du hast die vergangenen Monate durchgestanden . Das ist doch schier ein Wunder. Wie hast du das geschafft? Was hat dir immer wieder Kraft gegeben?
Stell dir diese Frage, wenn du über die vergangene Zeit nachdenkst. Und dann blicke wieder auf deine Kleine und nach vorne. Auf das, was du dir vorgenommen hast.
So geht es Schritt für Schritt und Tag für Tag. Manchmal vielleicht von einem Moment zum andern. Und jedes Mal ist es ein Schritt weiter für dich.
Wie hast du das geschafft? Was hat dir immer wieder Kraft gegeben?
Natürlich kannst du das auch hier schreiben. Das wäre sogar richtig schön, von deiner Lebensenergie zu erfahren.
Liebe Grüße von Layla