Hallo,
Nachdem ich viele eurer Beiträge gelesen habe, möchte ich gern meine Geschichte mit euch teilen...vielleicht hat je die eine oder ander von Euch einen Gedanken oder eine Erfahrung dazu. Und wenn nicht, dann hat es mir einfach gut getan, einmal alles aufzuschreiben. Danke :)
Vor ziemlich genau 3 Jahren war ich gerade mal ein halbes Jahr mit meinem jetzigen Partner zusammen, als ich sehr überraschend schwanger wurde. Er hat ein volljähriges Kind aus seiner geschiedenen Ehe und wollte kein zweites. Seine Reaktion, als ich es ihm sagte war vernichtend. Er sagte, am Ende sei es meine Entscheidung und er würde seine Pflicht tun (Unterhalt zahlen), aber keinesfalls wollte er dieses Kind bzw. eine zweite Vater/Mutter/Kind Konstellation haben.
Als wir zusammenkamen, haben wir das Thema Kinder mehrmals besprochen und er hat es nicht ausgeschlossen. Ich war zu diesem Zeitpunkt aber auch schon 37, hatte Kinder nie um jeden Preis in meinem Leben gesehen, und so war er relativ sicher. Wie einige andere hier habe ich mir immer gesagt, wenn's passiert, passiert es. Dann ist es so und dann werde ich auch Mami. Bis zu jenem Tag vor drei Jahren. Ich war unsicher und sehr verliebt. Ich habe versucht, mich in ein Leben mit Kind hineinzuprojizieren und es fühlte sich gut an, bis auf diese Unsicherheit und seine Ablehnung, die allzu spürbar war. Er wollte "das alles nicht nochmal mitmachen". Seine Familie war für ihn oft eine Belastung, er hatte immer das Gefühl, sich um alles kümmern zu müssen. Ich hatte Angst, davor, alleine mit einem Kind dazustehen (obwohl ich das aus heutiger Sicht sicher gut hinbekommen hätte), und Angst davor, ihn zu verlieren (das war wohl die größte Angst). Also haben wir es durchgezogen. Im Nachhinein betrachtet kommt mir das alles recht naiv von mir vor, dabei habe ich damals viel gegrübelt. Was ich nicht getan habe, ist, mit einer außenstehenden Person zu sprechen, mit Ausnahme der Beratungsstelle. Ich war damals der Meinung, das selbst entscheiden zu müssen bzw. mit meinem Partner auszumachen. Schließlich, so dachte ich, betrifft diese Entscheidung allein unsere Leben. Das ist bis heute so geblieben.
Ich war damals ziemlich abwesend und wollte alles schnellst möglich hinter mich bringen, denn die Entscheidung war ja gefällt. Gesagt getan, der Termin lag zwischen Weihnachten und Silvester. Er ist zu jedem Termin mitgekommen (außer zum Ultraschall). Wenn ich heute darüber nachdenke, kommt mir manchmal der gemeine Gedanke, dass das reine Kontrolle war und er zum Ultraschall nicht mitwollte, weil er dann möglicherweise ein schlechtes Gewissen bekommen oder sich umentschieden hätte.
In der Nacht vor dem Termin kam mir noch einmal der Gedanke, daß es doch auch eine andere Lösung geben müsste. Letztendlich habe ich diesen Gedanken als Unsinn verworfen und dann alles brav mitgemacht. An den Termin selbst kann ich mich sehr gut erinnern, auch daran, dass ich danach möglichst schnell nach Hause wollte. Ich weiß noch, wie eine Krankenschwester mir die Hand drückte und sagte "fangen Sie neu an". Das wollte ich versuchen. Die ersten Tage danach fühlte ich mich ein wenig betäubt und spürte eine gewisse Erleichterung. Ich vermute, teilweise Nachwirkungen der Narkose, vielleicht aber auch echte Erleichterung, weil es vorbei war. Doch da war auch ein Gefühl der Reue. Das ist bis heute so geblieben und es kamen eine tiefe Traurigkeit und sehr viel Wut dazu. Ich bin nicht jeden Tag am Boden zerstört und lebe eben ganz normal weiter. Trotzdem ist da immer dieser Gedanke "was wäre wenn". Mein Partner möchte damit nichts mehr zu tun haben. Für ihn ist die Sache erledigt und um seine Entscheidung gegen weitere Kinder zu unterstreichen, hat er sich letztes Jahr einer Vasektomie unterzogen. Das steigert meine Wut manchmal ins unermessliche, denn ich konnte nichts anderes tun, als hilflos zuzusehen. Ich habe ihn oft gebeten damit noch zu warten, aber er sagte nur Dinge wie:"wenn Du ein Kind willst, bin ich der falsche Mann". Wir sprechen auch nicht mehr darüber (weder über Kinder noch über die Abtreibung).
Wir sind immer noch ein Paar, wenn auch - wie schon immer - mit getrennten Haushalten. Doch langsam beginne ich auch an dieser Beziehung zu zweifeln. Viele grundlegende Dinge laufen nach seinen Vorstellungen. Ich kann ihn verstehen, er will sein Leben leben und sich nicht mehr von irgendwas oder irgend jemandem abhängig machen. Und für mich war das wichtigste immer eine Partnerschaft mit gegenseitigem Vertrauen und Respekt, nicht ein Trauschein oder eben gemeinsame Kinder. Dennoch verletzt mich die Kompromisslosigkeit mit der er sein Ding durchzieht und ich fühle mich mitunter ungeliebt. Immer wenn ich traurig bin sage ich mir, daß es so besser für alle war und daß es mir doch eigentlich so, wie es jetzt ist, sehr gut geht. Und doch ist da ein Teil von mir sehr verletzt worden und eine Chance vertan, die sich für mich sehr wahrscheinlich kein zweites Mal bieten wird.
viele liebe Grüße.
Hallo liebe Sylvie,
in deinem Bericht lese ich gleich mehrere Baustellen.
Zum einen ist da die Trauer um das ungeborene Kind, bzw. die Verarbeitung der Abtreibung. Mit deinem Partner kannst du da nicht drüber sprechen. Ich denke, es ist wichtig, dass du dir Zeit nimmst, dich mit der Sache auseinander zu setzen. Dass du hier her gefunden hast, zeigt ja auch, dass du das schon versuchst.
Gut wäre, wenn du eine außen stehende Person hast, mit der du darüber sprechen kannst. Hast du Freundinnen oder Familie, die davon wissen und mit denen du sprechen kannst?
Mir hat damals (ich hatte vor etwa 4,5 Jahren eine Abtreibung) eine Therapie sehr viel geholfen.
Als zweites hast du Wut auf deinen Partner, weil er kein Kind möchte und da kompromisslos ist. Das tut dir weh, weil er deinen (vielleicht in den letzten Monaten/Jahren erst aufkeimenden) Wunsch danach abschlägt.
Das ist schwer zu akzeptieren aber er hat ja das Recht, sich gegen ein Kind zu entscheiden. Er sagt dir das offen und ich finde das auch in Ordnung.
Du musst da für dich klar bekommen, ob du damit leben kannst oder nicht und daraus dann die Konsequenzen ziehen, so schwer wie es ist.
Der dritte Punkt ist, dass du an eurer Beziehung zweifelst, weil du das Gefühl hast, dass viele Dinge nach seinen Vorstellungen laufen. Hast du mal mit ihm darüber gesprochen? Vielleicht ist es ihm nicht bewusst, dass er dich oft übergeht.
Wie reagierst du in solchen Situationen? Machst du ihm bewusst, dass er dich damit verletzt?
Gibst du nach und machst es so wie er will oder setzt du dich auch manchmal durch?
Ich wünsche dir auf jeden Fall schon mal alles Gute und viel Kraft!
Liebe Frau vom Dorf,
Danke für Deine Antwort und Ratschläge.
Ich bin nicht der Meinung, dass ein Mann das Recht hat, seine Partnerin vor die Wahl zu stellen, sich für die Beziehung oder das Kind zu entscheiden. Aber das ist ja nur meine Meinung.
VLG -Sylvie
Liebe Sylvie,
ich habe dein posting gelesen, als es ganz neu war. Deine Situation hat mich sehr betroffen gemacht und mir kamen gleich so viele Gedanken ... und gestern habe ich dann geschrieben - und nun ist das posting weg.
Ich hatte dir gestern allerdings nur wenige Gedanken geschrieben, denn am wichtigsten sind jetzt deine eigenen! :-)
Und was mir wichtig war, dir zu sagen, das fällt mir jetzt auch wieder ein und so kommt es im dritten Anlauf endlich zu dir:
Vielleicht ist dein Schreiben hier der Anfang von dem Neuanfang, von dem die Krankenschwester sprach.
Du kannst jetzt vielleicht zum ersten Mal aussprechen, aufschreiben, was war, wie es dir damals ging und wie es dir heute geht. Und du kannst an deinen eigenen Worten erkennen, was dir wichtig ist.
Bestimmt wird sich dein Weg weiter zeigen! Es wird sich auch zeigen, ob du ein Gesprächsgegenüber brauchst/möchtest oder nicht. Auch das wird sich zeigen: ob es nochmal eine Chance auf ein Kind gibt?
Auf jeden Fall ist eine Sehnsucht nach einem neuen Anfang da.
"Alles beginnt mit der Sehnsucht." Dieser Satz von Nelly Sachs wird oft zitiert. Er gibt wirklich Hoffnung.
Und du musst nicht eilen, sondern kannst in aller Ruhe erkennen, wie es für dich weitergeht.
Alles Liebe für deinen Weg!
Layla
Liebe Layla,
Recht vielen Dank für Deine Zeilen.
Ich wünschte nur, ich hätte dieses Forum vor drei Jahren gefunden. Aber vermutlich habe ich damals nicht danach gesucht.
Vielleicht werde ich hier weiter schreiben, um anderen Frauen, die sich in einer ähnlichen Situation wiederfinden, zu helfen, eine gute Entscheidung zu treffen.