Ich habe abgetrieben. Letzte Woche Mittwoch. Zum zweiten Mal. Und ich verstehe mich selbst nicht.
Ich erzähle euch die verdammte Wahrheit: Ich wurde letztes Jahr im Sommer schwanger, genau zeitgleich mit meinem Burnout. Ich entschied mich aus der Arbeit auszuscheiden, gut zu mir zu sein und für meine 4 Kinder da zu sein. Dann die SS...Schock. Ich war körperlich und nervlich so am Ende. Es stand ein großer Umzug bevor, wir hatten ein Haus gekauft. Mein Mann wollte, dass ich abtreibe. Er sagte immer er denke ich schaffe es alles, vor allem körperlich nicht. Ich glaube es wäre so gewesen. Ich habe Monate gebraucht, um mich körperlich zu erholen. Ich machte den Abbruch, dabei wollte ich das Kind. Ich fiel in ein Loch, ich weinte nur noch, war nicht in der Lage weiterzuleben. Mein Mann konnte das nicht ertragen, hatte Angst alles würde zusammenbrechen, forderte von mir für die Kinder zu funktionieren. Ja das tat ich dann. ich schluckte allen Schmerz hinunter. Wir sprachen niemals wieder darüber. Ich gestehe euch jetzt, was in mir passierte: ich wusste, ich könnte den Schmerz nur ertragen, wenn ich noch einmal ein Kind bekommen könnte, ich wünschte es mir so sehr, immer mehr. Für meinen Mann war alles wie immer, ererzählte fröhlich allen, dass wir mit dem Thema durch seien, verkaufte Kindersachen. ich litt...wollte ich doch so gerne ein Baby, jetzt, wo doch alles im Lot war, Umzug geschafft, Gesundheit im Griff. Dann war sie da die eine Chance, die ich in der Hand hatte, die Verhütung nicht so ernst zu nehmen und ich wurde schwanger. Zwei Wochen lang war ich glücklich mit meinem baby. Mein mann wusste davon, aber ich wich allen Gesprächen aus. Dann kam der Tag, an dem wir redeten. Von da an war klar, ich könnte es nicht bekommen, Er behauptete zwar er stehe zu mir und meiner Entscheidung, er wolle mich nicht beeinflussen, aber er tat es. Er wusste nichts von meinem riesigen Kinderwunsch, davon wie sehr ich immer gelitten habe, es war ein Tabuthema. Dann, einige wissen vielleicht, ich hatte im Forum hier geschrieben. Ich wollte es ihm recht machen, denn ich fühlte mich so schuldig. Irgendwie hatte ich ihm das Kind untergeschoben, so fühlte es sich an. Ich hasste mich für das Schweigen, die Lügen, ich steigerte mich in all die rationalen Argumente, die er hatte und schwieg weiter. In den zwei Tagen vor dem Abbruch versuchte ich immer wieder mit ihm zu reden, aber er war ja so so froh und erleichtert, dass ich mich so entschieden hatte...und ich wurde immer unglücklicher und zweifelte. Aber ich musste es durchziehen. Ich hatte ihm und allen anderen Mitwissern doch ganz ganz stark und stolz erzählt was ich tun werde und warum und wie sehr ich dahinter stehe.
Ich muss dazu sagen, dass mich möglicherweise eine totale SS-Depression eingeholt hatte, die ich hormonbedingt auch in den vorherigen gewollten SS hatte.
Dann war der Tag da, ich zögerte so sehr die Tabletten zu nehmen, dann tat ich es. Ich lag auf der Liege und weinte. Ich hoffte in den leztzten Tagen nur noch immer es würde mir endlich jemand helfen, etwas sagen, womit ich meine Pläne über Bord werfen konnte...
Ich zog es durch...dann war es weg und mit ihm mein kurzes Glück, meine Hoffnung. Mein Mann war erleichtert. Wir sprachen nur einmal kurz, ich weinte nur einmal vor ihm...dann funktionierte ich wieder....seitdem, es ist nun 8 Tage vorbei, funktioniere ich für die Kinder. Mein eigentlich gewünschtes Kind habe ich getötet und mein Mann weiß noch immer von nichts...die Beziehung habe ich im Grunde auch kaputt gemacht durch all mein Schweigen. Er ist ein durch und durch rationaler Mensch. Gefühle gibt es für ihn nicht, zumindest bestimmen die nicht das Handeln. Er hätte meinen Kinderwunsch immer wegdiskutiert, deshalb traute ich mich nie etwas zu sagen...nachdem was jetzt passiert ist, wird es aber noch schlimmer zu reden....Ich denke er kennt mich gar nicht mehr. Nie ist ihm aufgefallen, wie unglücklich ich bin, wie sehr ich mir ein Kind gewünscht habe. Er war immer mit Haus und Hof beschäftigt, ist ein verantwortungsvoller Vater.
Und ich...ich bin allein.
Ich verstehe mich einfach nicht. Ich dachte wenn ich abtreibe, dann mache ich es allen recht, dann bleibt alles wie es ist, und ich brauche mich nicht mit meiner absoluten Panik wie alles werden soll, auseinander setzen. Angst ist ein schlechter Ratgeber...
Zwischen meinem Mann und mir ist so eine große Kluft und er merkt es nicht einmal. Er will nicht, dass ich traurig bin, für ihn gibt es nur die Verdrängung und vor allem die rationalen Gedanken, an die er alles hängt.
Ich trauere um das Kind, das ich haben wollte, das ich nicht einmal so ungeplant ins Leben gerufen habe. Ich verstehe mich nicht.
Ich weiß nicht wie ich weiter leben soll. Ich muss funktionieren für die Kinder. Ich selbst kann nicht davon genesen, es wird über da bleiben.
Ich habe meinem Mann einen Brief geschrieben. 13 Seiten lang. Ich schreibe über all meine Gefühle und Gedanken, die ich ihm schon seit einem Jahr verschwiegen habe und durch diese Verschwiegenheit ist es zu all dem gekommen...
Ich bin ja selbst schuld. Ich hätte ihm immer die Wahrheit sagen müssen, ihm sagen müssen, was ich mir so sehr wünsche... Aber ich wusste es bringt nichts es ihm zu sagen. Für ihn gelten nur Fakten. Schade ist es und das ist das einzige, was ich ihm vorwerfen, dass er nie gemerkt hat wie unglücklich ich bin...
Ach so, ich habe mich bisher nicht getraut ihm den Brief zu geben...
es tut mir so unendlich leid, wie verzweifelt du bist und wie unglaublich weh es dir tut.... ich finde es mutig von dir, dass du niederschreibst, wie es dir geht und was für Gedanken dir durch den Kopf gehen. Es kann ein allererster Schritt sein, wie du das Geschehene verarbeiten und jetzt überhaupt ertragen kannst. Den 13-Seiten-Brief an deinen Mann – es wird sich zeigen, wann der passende Moment für dich da ist... so etwas kostet auch Mut! Du brauchst dir da keinen Druck machen...
Du bist nicht alleine mit deinem Schmerz. Und wenn die Zeit da ist, kannst du dir auch fachliche Hilfe suchen. Die gibt es.
Ganz liebe und mitfühlende Grüße von Sanne
ich möchte dir einen kleinen Denk-an-dich-Gruß senden. Du bist mit deinem Leid nicht allein. Es tut mir so sehr leid, dass du das jetzt alles tragen musst. Wunden heilen, aber das braucht Zeit. Und ich wünsche dir, dass du den Mut findest, deinem Mann die Narben deiner verheilten Wunden zu zeigen. Und das er diese in Ehrfurcht anschaut und Verstehen für dich und deine Gefühle und Wünsche aufbringt. Sucht gemeinsam einen Weg.
Vici
Ich habe so Angst, dass er mich nicht versteht und dann alles kaputt ist.
Ich laufe nur noch als Hülle umher, es scheint keiner zu merken, es scheint zu reichen.
ich verstehe deine Angst gut. Vielleicht musst du ihm den Brief auch nicht gleich geben und darfst noch etwas warten, bis du dich etwas stärker fühlst. Oder du sagst ihm erstmal nur, dass es dir wirklich schlecht geht und dass du so traurig bist. Dass du im Internet gelesen hast, dass es normal ist. Vielleicht verbindet es euch ganz überraschend. Und er kann dich doch ein bisschen unterstützen. Könntest du dir das vorstellen?!
Hast du schon mal dran gedacht, dass du dich einem Arzt anvertraust?! Deinem Hausarzt? Einfach, dass du nicht mehr alleine mit deinem großen Schmerz bist. Du darfst alle Hilfe in Anspruch nehmen, die du bekommen kannst.
Ich denk' an dich und grüße dich sehr, sehr herzlich!