Mitte Juni hielt ich meinen positiven Schwangerschaftstest in der Hand und mein erster Gedanke war „Ne, das schaffe ich nicht“. Ich muss dazu sagen, dass ich schon 41 und zweifache Mama bin (15 Jahre, 3 Jahre). Obwohl ich mit meinem Mann 16 Jahre verheiratet bin, habe ich meine Mädels im Prinzip alleine großgezogen. Ich habe mich nach dem positiven Test gleich über einen Abbruch informiert und nach dem 1. Frauenarztbesuch auch gleich einen Termin in der Beratungsstelle vereinbart. Beim 1. Frauenarzttermin meinte der Arzt, dass es sich wohl eher um eine nicht intakte Schwangerschaft handelt, was für mich erstmal erleichternd war, denn so wurde mir die Entscheidung abgenommen. Trotzdem sollte ich nach ein paar Tagen nochmal zur Kontrolle hin. Mittags hatte ich dann den Termin in der Beratungsstelle, da ich auf Nummer Sicher gehen wollte. Beim 2. Frauenarzttermin war wieder kein Embryo zu sehen und mein Frauenarzt riet mir zur Ausschabung. Da ich aber in dieser Zeit viele Termine, auch mit den Kindern, hatte wollte ich erstmal abwarten und hoffte auf einen natürlichen Abgang. Leider ohne Erfolg. Ich entschloss mich dann doch zur Ausschabung. Beim Aufklärungsgespräch wurde dann doch nochmal ein Ultraschall gemacht und sieht da, ein Embryo hatte sich eingenistet. Für mich war das ein totaler Schock, so dass ich auch erstmal in Tränen ausgebrochen bin. Da mein Frauenarzt wusste, dass ich eine Abtreibung in Erwägung ziehe, wollten wir am nächsten Tag nochmal telefonieren, welchen Weg ich nun gehen möchte. Ich hätte das Kind im Inneren gerne behalten, aber objektiv gesehen war der Abbruch die richtige Entscheidung, so dass ich am 20.7. den Abbruch vornehmen ließ. Die Woche nach dem Abbruch war die Hölle, ich habe sehr viel geweint und mir viele Vorwürfe gemacht, ich hätte die Zeit am liebsten wieder zurückgedreht. Mittlerweile geht es mir langsam besser, aber es wird sicher noch eine ganze Weile dauern bis ich den Schwangerschaftsabbruch verarbeitet habe. Ich habe zum Glück zwei tolle Kinder, die mich auffangen und versuche nun mit mir ins Reine zukommen.
Liebe Theonie,
danke für deinen Beitrag hier. Es hat dich vielleicht Mut gekostet. Und vielleicht hast du im Schreiben auch ein bisschen Erleichterung gespürt, weil du mal alles so hinschreiben konntest.
Du hattest so abgeschlossen, dass für dich gar nicht vorstellbar, dass es wirklich eine Schwangerschaft war. So verstehe ich deinen Schock, als beim Aufklärungsgespräch ein Embryo eingenistet war. Damit hattest du gar nicht mehr gerechnet.
In diesem Moment war dein Gefühl kurz ganz stark, aber der Weg war schon zuende geplant.
Der Wunsch nach mehr Zeit kam dir erst danach. Der Wunsch, die Zeit zurückzudrehen. Mit mehr Zeit wären vielleicht auch Ideen entstanden, wie es mit diesem Kleinen gut geworden wäre.
Das ist jetzt sehr schmerzlich für dich.
War dein Mann gar nicht beteiligt an dem ganzen Prozess? Du schreibst, du hast deine Mädels im Prinzip alleine großgezogen.
Du versuchst nun, mit dir ins Reine zu kommen, und empfindest deine Kinder als Halt für dich.
Die schlimmsten Tage hast du schon durchgestanden.
Mit dem Schreiben hier bist du nicht mehr so alleine. Du hast mein Mitgefühl.
Liebe Grüße und Umarmung,
Layla
Liebe Layla,
als ich meinem Mann sagte, dass ich schwanger bin, war seine erste Reaktion, dass er das Baby gerne behalten würde, dass ich aber weiß, dass ich von ihm keine Unterstützung erwarten kann. Er wusste, dass es für mich sehr schwer sein wird, wenn ich das Kind antreibe, hat aber auch nichts dafür getan, dass ich mich für das Kind entscheide. Mein Mann ist beruflich sehr eingespannt, trotzdem hatte ich auch seine Unterstützung gehofft. Auch hätte ich sonst keine große Unterstützung gehabt, meine Eltern wohnen weiter weg und seine Eltern sind nicht mehr die jüngsten und gesundheitlich auch nicht mehr fit. Ich hätte es also alleine stemmen müssen und das habe ich mir im Endeffekt nicht zugetraut, da schon Kind Nr. 2 sehr viel Zuwendung von mir braucht. Ich habe die Entscheidung daher nicht nur für mich und meine Kinder getroffen, sondern auch für das Ungeborene, dem ich nicht gerecht hätte werden können. Ich will mir die Abtreibung damit nicht schön reden, da ich wie gesagt auch noch oft darunter leide. Aber es muss irgendwie weitergehen.
Liebe Theonie,
du hast mir noch am selben Tag geantwortet. Es wäre schön gewesen, wenn der Austausch direkt weitergegangen wäre. Jetzt immerhin will ich dir antworten.
Vielleicht hat auch das Schreiben in dir etwas weiter bewegt.
Wie dein letzter Satz zeigt: Es muss irgendwie weitergehen.
Ja, es wird irgendwie weitergehen.
Die Erinnerung an den Anfang ist schmerzlich. Dein Mann wollte das Kind sogar. Und wollte vielleicht einfach nur ehrlich zu dir sein und eingestehen: Mehr als bisher kann nicht. – Und das kanntest du ja schon über all die Zeit, wo ihr zusammen seid. Du hast die Erziehungsarbeit hauptsächlich alleine gemacht. Und gerade jetzt ist eure kleine Tochter in einer anstrengenden Phase (für dich anstrengend).
Dass die Verarbeitung jetzt für dich doch so schwer ist, hast du nicht geahnt.
Hat dein Mann mitbekommen, wie du vom Arzt nochmal Bedenkzeit bekommen hattest? Und hat er von dir gewusst, dass du das Kleine im Herzen doch auch gern behalten hättest?
Sprecht ihr jetzt im Nachhinein noch darüber?
Trauer hat eine eigene Zeit und ihr eigenen Gesetze. Es ist gut, dass du das Weinen zugelassen hast. Es kann immer wieder kommen. Und wenn es dir gut geht und du fröhlich sein kannst, dann nimm diese Zeit, wie sie ist!
Liebe Grüße von Layla
Hallo Leyla,
mein Mann kennt mich zu gut, er wusste, dass ich den Abbruch schwer verkraften würde. Er wusste dass ich zwischen Schwangerschaftsbestätigung und Abbruch-Termin eine Woche Bedenkzeit hatte. Er hat in dieser Zeit aber auch nichts dazu getan, dass ich meine Meinung ändere. Heute reden wir überhaupt nicht mehr über den Abbruch, für ihn geht alles weiter wie bisher, was mir auch sehr zu schaffen macht. Ich glaube, dass dieses Ereignis auch sehr große Schatten über unsere Ehe wirft. Viele Freunde sagten mir durch die Blume, dass ich es evtl. nicht machen soll, aber keiner hat mir mal direkt gesagt « Mach es nicht ». Vielleicht hätte ich mich dann anders entschieden. Allerdings gab es objektiv wirklich viele Faktoren, die gegen ein weiteres Baby sprachen. Anders wiederum, wenn das Herz sich dafür entscheidet, sind alle anderen negativen Faktoren egal. Ich weine zurzeit nicht mehr so viel, es wird schon besser. Trotzdem werde ich mir das irgendwie nie verzeihen Können. Jetzt gesehen war dieses Kind wirklich ein ganz besonderes Wunder, ich weiß nicht, warum mir das damals nicht bewusst war.
Liebe Theonie,
vielleicht hast du zu sehr auf die Initiative von außen gewartet.
Im Innern hast du gewusst, dass negative Faktoren nicht zählen, wenn das Herz weiß, wo es lang geht.
Dein Mann konnte vielleicht noch weniger als du einschätzen, was ein Abbruch bedeutet.
Auch dir selbst wurde das Wunder erst im Nachhinein bewusst.
Das Herz sprechen lassen: zu sich selbst und auch zu den andern.
Wir sind das nicht so gewohnt. Vieles in unserem Leben richtet sich nach den äußeren Anforderungen und nach dem, was objektiv ist.
Deine Tränen kommen von innen und zeigen dein Herz.
Was meinst du, solltest du dir verzeihen?
Trauern und verzeihen braucht beides Zeit und liebevolle Behutsamkeit miteinander und mit sich selbst.
Liebe Umarmung von Layla
Hallo Leyla,
heute bin ich das erste Mal wieder auf der Arbeit und obwohl ich in einer Frauen- und Kinderklinik arbeite, wo ich ständig mit Schwangeren bzw. Neugeborenen zu tun habe, hilft mir die Arbeit sehr auf andere Gedanken zu kommen. Am meisten wünsche ich mir, dass mein Sternchen mir verzeihen kann. Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht, aber mir war das Risiko zu hoch, dass meine anderen Kinder bzw. ich auf der Strecke bleiben. Natürlich hätte es auch gut gehen können, aber was wenn nicht? Könnte ich die Zeit zurückdrehen, würde ich vielleicht anders entscheiden. Ich weiß es nicht. Als ich in den OP-Raum kam war mein erster Gedanke "ich kann das nicht", trotzdem ging ich den Schritt weiter, vielleicht doch mit irgendeiner Kraft von oben, die mir half den Weg zu Ende zu gehen, weil er im Endeffekt vielleicht doch richtig war. Ich wünsche mir einfach, dass ich mit dem was passiert ist irgendwie Frieden schließen kann. Dass ich es mir verzeihen kann einem Kind die Chance auf ein Leben verwehrt zu haben.
Liebe Theonie,
wie gut, dass deine Arbeit dir hilft.
Es ist noch nicht so klar für dich, ob es nun so sein sollte oder nicht.
Weil du auch weiter nachdenkst, wie es vielleicht geworden wäre oder hätte werden können. Die Gedanken, die du dir die Zeit davor auch gemacht hast.
Klar ist dein Wunsch, dass dir das Kind verzeiht und du dir selbst verzeihen kannst.
Das könnte deine Richtung sein, in die du dich lenkst. Auch wenn es nicht in einem Augenblick gehen wird, sondern mit der Zeit. Aber immer in Richtung Friedensschluss.
Liebe Grüße von Layla