Hallo,
ich hatte vor 4,5 Wochen eine Abtreibung und das macht mich im Nachhinein sehr traurig. Als ich die Entscheidung getroffen habe, war das sehr klar. Ich war noch nicht lange mit meinem Freund zusammen, wir haben uns viel gestritten, er baut gerade seine Selbstständigkeit auf und hat noch keine regelmäßiges Einkommen und ich arbeite in einem Startup, das im Moment nicht stabil ist.
Aber jetzt könnte ich nur noch heulen. Sobald ich Schwangere oder kleine Kinder sehen, macht mich das sehr traurig. Wenn ich mit meinem Freund über dieses Thema spreche, dann muss ich auch immer weinen. Es begleitet mich gerade immer dieser innere Schmerz. Als ob ich ein Teil meiner Lebensfreude verloren habe. Er meint wir können es aber gerne nächstes Jahr noch einmal versuchen. Wenn alles auf stabileren Beinen steht. Er würde gerne mehr mit mir zusammen wachsen und auch eine Familie ernähren können.
Jetzt habe ich aber etwas gelesen, was mich sehr beunruhigt. Mein Freund hatte bereits 3 Abtreibungen von 3 Partnerinnen. Das Dokument war auch nicht für meine Augen bestimmt.
Mein Freund hat mir erzählt, dass er mit 17 Jahren schon mal mit eine Abtreibung durchlebt hat. Von den restlichen Malen hat er allerdings nichts erzählt. Was denkt ihr darüber?
Hallo Sarah,
es tut mir sehr leid, dass dir erst im Nachhinein so klar bewusst wird, dass es doch eine Entscheidung ist, die dich traurig macht. Du führst ja die Gründe auf, die zu dieser Entscheidung geführt haben. Und es hat dir wohl eingeleuchtet, aber die Emotionen sprechen doch eine andere Sprache. Und sie bedeuten doch mehr für unser Leben, als wir meinen. V.a. wenn es um die wirklich großen Dinge des Lebens geht: Liebe und Beziehung. Und da gehört die Frage "Kind oder Abtreibung" hinein. Wenn die Beziehungs-Situation nicht so klar ist und dazu die äußeren Bedingungen (beruflich), kann für kurze Zeit ein sehr hoher Druck entstehen. "Vernünftig sein" ist dann das Leitbild. Hast du es in etwa so erlebt?
Dein Freund stand vielleicht mehr als du für die rationale Seite. Und du selbst warst sicherlich hin- und hergerissen. Vielleicht ging auch alles einfach zu schnell.
Und nun versucht er dich zu trösten? Und sagt "ein neuer Versuch", nächstes Jahr. Das ist doch sein Versuch, etwas wieder gut machen zu wollen. Wenn er vielleicht zu sehr pro Abtreibung war.
Und nun beunruhigt dich seine persönliche Geschichte. Du hast etwas gefunden, was nicht für dich bestimmt war.
Was ist dein eigener Gedanke dazu? Möchtest du es ihm offenlegen? Vielleicht wollte er es dich "finden lassen"?
Dass er nicht die Wahrheit sagt, ist eigentlich auch nur ein Teil der Wahrheit. Denn er hat dir ja erzählt, dass er mit siebzehn schon eine Abtreibung durchlebt hat. "Durchlebt" ist ein starkes Wort dafür, dass es ja eigentlich seine Freundin "durchlebt" hat. Er nahm also stark daran Anteil, wenn er es selbst so benennt. Immerhin hat er es dir erzählt. Und vielleicht war oder ist er noch gar nicht in der Lage, dir mehr zu erzählen, weil es für ihn auch sehr schmerzliche Erinnerungen sind und die Beziehung jeweils nicht gehalten hat.
Als Mann (oder erst mal noch Junge) war er vielleicht doch sehr beteiligt. Ob er nun mehr für oder mehr gegen die Entscheidung seiner jeweiligen Freundin war. Die Frau entscheidet ja letztlich selbst. Zumindest ist das so gedacht. Sicher hat die Beziehung zum Kindsvater trotzdem eine große Bedeutung.
Aber nun. Was würdest du dir wünschen? Dass ihr beide weiterhin zusammen bleibt und tatsächlich eines Tages miteinander Eltern werdet? Dann würde das bedeuten, dass ihr sehr aufmerksame und behutsame Gespräche und auch Zeiten mit Schweigen und stillem Verstehen oder auch mal Nicht-Verstehen braucht. Dass er deinen Schmerz mit dir aushält, auch wenn er einen anderen spürt. Und Du seinen, auch wenn du noch ganz andere Gefühle bei dir bemerkst.
Die Offenheit, was seine Geschichte angeht, gehört auch dazu. Aber auch das behutsam und vorsichtig. Ob du nun das Dokument ansprichst oder er selbst? Wichtig ist, dass er offen erzählen kann. Ich denke, du brauchst diese Offenheit, damit du vertrauen kannst. Und Zeit, bis solche Offenheit möglich ist.
Ein erster Schritt wäre: die Entscheidung, die ihr beide doch irgendwie gemeinsam getroffen habt, aus jetziger Sicht noch einmal zu betrachten. Ob ihr zu dem gleichen Schluss kommt, dass es anders auch möglich gewesen wäre und vielleicht sogar besser?
Von ganzem Herzen wünsche ich dir jetzt, dass du Trost findest und deine Lebensfreude wieder findest!
Dass ein Stück weit heil wird, was dich so traurig macht.
Dem verlorenen Kind - wenn ich so sagen darf - einen Platz in deinem Herzen, in deinem Leben geben, kann sehr heilsam wirken.
Alles Liebe und Gute für dich und auch für ihn!
Layla