Hallo ich bin Angie, 36 und hatte letztes Jahr sogar meine 2. Abtreibung.
Bei meiner ersten war ich 19, gerade 3 Wochen in der Ausbildung, mit psychischen Problemen und der Erzeuger ein wirkliches Bilderbuch Ar*****ch . Ich habe die Entscheidung nie ernsthaft bereut. Leicht war es dennoch nicht. Einen starken Kinderwunsch habe ich danach nie verspürt oder wollte ihn mir nicht eingestehen. Ich hatte immer viele Probleme mit mir selbst etc. In den letzten 12 Jahren war ich in einer festen Beziehung und irgendwann haben wir gesagt, wir lassen es drauf ankommen. Wir waren beide nicht sicher, ob wir Kinder wollen, aber auch nicht, dass wir keine wollen. 2020 wurde ich schwanger und habe mich sehr gefreut. Ich erlitt in Woche 10 eine Fehlgeburt. Ich war am Boden zerstört. Mein Partner hat das nie verstanden. Letztendlich hat das unsere Beziehung zerstört. Im April 2022 haben wir uns getrennt, wohnten aber im gemeinsamen Haus noch einige Monate.
In dieser Zeit (August 2022) hatte ich eine kurze Liaison mit dem besten Freund meines Cousins, den ich schon lange, aber nicht besonders gut kenne. Er ist 8 Jahre jünger als ich und auch noch völlig unreif. Natürlich haben wir verhütet. Und dennoch war ich schnell sicher schwanger zu sein. Er war völlig überfordert und wollte es auf keinen Fall. Ich habe noch bei meinem ex gewohnt und war mitten im Umzug in eine tolle, aber mit Kind zu kleine Wohnung und Start in ein neues Leben. Ich hatte die letzten 2 Jahre sehr gelitten und mich zurückgezogen und wollte wieder viel unternehmen und leben! Und ich hatte grenzenlose Angst, alleine das Kind nicht genug zu wollen. Alleinerziehend ist alles noch schwerer. Nach endlosem hin und her, Eingriff verschieben wegen Corona etc. hab ich angetrieben. Ich habe geglaubt, ich habe die Entscheidung getroffen, weil ich es so will. Wie schon angedeutet habe ich mein Leben lang psychische Probleme gehabt und zwar, weil ich es immer versucht habe anderen Recht zu machen und über meine eigenen Bedürfnisse mit der Dampfwalze gerollt bin. Daher glaube ich mittlerweile das es wieder genau dieses Muster war, was zu der Entscheidung geführt gar. Der Erzeuger war erst sehr lieb und fürsorglich, 3 Tage nach dem Eingriff vom Erdboden verschluckt. Ein paar Wochen später gingen die Gedanken los und seit Oktober 2022 habe ich schwere Depressionen, Schlafstörung, meine frühereEssstörung ist wieder da und ich will dieses Kind. Unbedingt. Und natürlich geht es nicht. Aber ich komme nicht weiter. Drehe mich nur im Kreis. Ich bin fast 37. Das war mein Kind da bin ich sicher. Wieso hab ich jetzt so starken Kinderwunsch, den ich nie hatte. Ist der Kinderwunsch echt oder Bestandteil des Trauerprozesses? Was kann ich tun, um alles besser zu verarbeiten? Ich habe Angst dass ich nie mehr fröhlich sein kann. Ich bereue es so sehr. Das war mein Kind. Kein Zweifel. Aber es ist nicht umkehrbar.
Ich bin wirklich sehr verzweifelt und traurig, habe an nichts mehr Freude und bekomme mein Leben kaum noch auf die Reihe.
Psychotherapeuten zu finden ist fast unmöglich. Vielen lieben Dank schon jetzt für eure Tipps und Ratschläge 🫶
Hallo Angie,
neulich war in deinem eigenen Thread kein Antwort-Button zu sehen und ich habe dir bei Lina-Li geschrieben. Vielleicht hast du gelesen. Falls nicht und du nochmal hier online bist, möchte ich dir meine Antwort einfach nochmal hier aufschreiben:
„Deine Geschichte ist so traurig. Im Rückblick erkennst, wie du wieder dich selbst übergangen hast.
So wie es die anderen eben auch taten.
Der Tiefpunkt kann zugleich eine Kehrwende sein. Allein, dass du hier schreibst, ist schon etwas Neues.
Lina-Li schreibt, dass sie in ein Buch schreibt. Schreiben hat therapeutische Wirkung.
Deine Gedanken sind wertvoll. Sie zeigen, was bisher niemand gesehen hat. Auch du selbst nicht deutlich genug, als es wichtig gewesen wäre für dich selbst.
Der Kinderwunsch als Teil des Trauerprozesses. Das kann gut sein. Wie geht es dir mit dieser Sicht?
Die Geschichte ist nicht umkehrbar, aber die Zukunft gestaltest du.
Du hast eine große Sehnsucht, anders zu leben. Die Kinder in deinem Herzen (darf ich das so sagen?) können dir den Weg zeigen. Für dich sind sie Wirklichkeit. Auch dein Empfinden, damals und jetzt, ist Wirklichkeit. Das haben die Kindsväter nicht erkannt oder haben es übergangen. Auch dein langjähriger Freund, als er deinen Schmerz aufgrund der Fehlgeburt nicht verstand.
Wie geht es dir mit dieser Sicht: Du bist eine dreifache Mutter.
In einer Anleitung zu einer Lebensbilanz habe ich neulich die Anregung bekommen, zu den einzelnen Lebensphasen aufzuschreiben:
Das denke ich heute zu dieser damaligen Zeit, das fühle ich und diese Aufgabe nehme ich daraus mit für mein weiteres Leben.
Kann es sein, dass du auf der Suche bist: Wie kann aus dem Schweren noch etwas Gutes werden? Selbst wenn du vielleicht nicht noch einmal schwanger wirst. Was dennoch nicht auszuschließen ist.
Wie kann dein Leben gut werden?
Dass du keinen Psychotherapeuten findest. Liegt es am Thema? An der „Chemie“, die stimmen müsste oder ganz schlicht an fehlenden Terminen?
Du hast hier Kontakt zu Katharina aufgenommen.
Vielleicht entsteht im gegenseitigen Erzählen und Verstehen eine Kraft.
Es werden ja im Moment noch niedrigere Schwellen für Schwangerschaftsabbrüche eingefordert. Die Zeit ist daher gerade nicht offen für solche Stimmen wie die deine – oder vielleicht gerade doch? Dort, wo es nicht laut zugeht, sondern leise, wird vielleicht besonders aufmerksam zugehört.
Ich achte sehr, dass du hier geschrieben hast!
Und es kann wirklich zum Durchgang für dich werden, zu einer Kehrtwende, einer neuen Sicht auf dein Leben.
Wie du eigentlich bist, ist viel stärker und größer, als du bisher zeigen konntest.
Auf diesem Weg – du selbst sein – kann neue Kraft und Freude in dein Leben kommen?
Wie kannst du von nun an mehr du selbst sein?
Behalte diese Frage in deinem Herzen!“
Mit diesen Worten grüße ich dich heute nochmal von Herzen.
Mit den besten Wünschen von Layla